Es
scheint als wäre es an mir, Ragnar ‘Feuerauge‘ Starkardsson, diese letzten
Zeilen in das Tagebuch meiner treuen Freundin Yamira zu schreiben, denn es
obliegt mir als einzigem Überlebenden der Gezeichneten von den letzten Stunden
meiner Gefährten und Freunde zu berichten, auf dass niemals in Vergessenheit
gerate was damals geschah.
Es
war der frühe Morgen des 24. Ingerimm im Jahre 1021 nach Bosparans Fall. Frauen
und Männer aller Länder hatten sich unter den Bannern versammelt und
Aufstellung bezogen um geeint gegen den Feind zu ziehen, der nur wenige Meilen
entfernt die Ogermauer wieder errichtet hatte. Den meisten unserer Kämpfer war
anzusehen, dass sie sich fürchteten, lieber zu Hause im Bett liegen würden als
an diesem Tag nach Ostion zu blicken und zu wissen, dass nur wenige, wenn
überhaupt jemand, lebendig aus dieser Schlacht zurückkehren würde. Der Blick in
die Gesichter meiner Gefährten verriet mir, dass sie zu allem bereit waren.
Jahre des Kampfes, des Scheiterns und des Schmerzes hatten auch sie geprägt und
tiefe Kerben in den Planken hinterlassen.
Die
Heerführer verließen sich auf unser Wort. Wir würden maßgeblich an dem Verlauf
der Schlacht beteiligt sein, denn unser Wort wog nun deutlich mehr als es noch
vor Wochen der Fall war.
Nun
wandte auch ich meinen Blick gegen Ostion, oder Osten wie die Mittelreicher
sagen. Dort war deutlich die vier Meilen lange, befestigte Mauer zu sehen. Von
hinten durch die Sonne beschienen wirkte sie noch viel dunkler und unheiliger.
Nur zu gut konnte man auch auf diese Entfernung die sich windenden Tentakel
ausmachen die aus dem kalten Stein herauswuchsen und nur eine erste Ahnung von
dem gaben was an diesem Tag noch auf uns zukommen sollte.
Im
Südostion gab es eine zweite Mauer, offenbar nicht ganz so stark ausgebaut wie
die Hauptmauer, jedoch sicherlich ebenfalls stark besetzt. Diese schien fast zu
einladend zu sein, weswegen wir eine Falle an dieser Stelle vermuteten und uns
dagegen entschieden diese direkt anzugreifen. Wohl aber entschieden wir uns
dazu Truppen nahe der Mauer zu postieren um im Falle eines Ausfalls
entsprechend reagieren zu können.
Ayla
ritt vor die Truppen und hielt eine flammende Rede. Noch heute erinnere ich
mich an den Wortlaut und ihre gottähnliche Erscheinung auf dem Schlachtfeld. So
musste Rondra aussehen und es war mir nun klar weshalb Efferd sie auswählte um
mit Ihr unseren großen Bruder Swafnir zu zeugen. Mit ihrer strahlenden Rüstung,
hoch auf dem Ross und Siebenstreich stolz in die Luft erhoben, entfachte sie
einen donnernden Sturm des Jubels unter den Truppen.
Die
Truppen bezogen Stellung, während der Wind giftig und unheilig anmutende Dämpfe
und Geräusche über die Mauer zu uns trug. Menschen, Elfen, Zwerge, ja sogar
Orks standen Seite an Seite, bereit für den Kampf, der alles entscheiden
sollte. Als wäre diese ungewöhnliche Geeintheit der Völker nicht bereits
bemerkenswert genug gewesen, so erschien es wie ein Götterwunder, als sich die
Trolle den verzweifelten Verteidigern anschlossen und damit in einer Düsternis
der Verzweiflung eine Flamme der Hoffnung in den Streitern entzündeten.
Vor
der Mauer warteten bereits riesige schleimige Klumpen, die wir leicht als
Dharais erkennen konnten. Jene widerlichen Kreaturen aus den Niederhöllen, die
einen Menschen ohne sichtbare Anstrengung in zwei Teile zerreißen konnten. Zwar
waren sie sehr langsam, was sie aber nicht minder gefährlich machte. Zwischen
den Dämonen schrien und stampften mehrere Horden von rotpelzigen Goblins, die
sich offenbar dem Willen des Dämonenmeisters unterworfen haben. Erste Truppen
wurden entsandt um die Dämonen durch die Hilfe der geweihten Waffen wieder in
die Niederhöllen zurückzuschicken und die Goblins aufzumischen. Dies war nur
unter ersten Verlusten möglich, doch wir wussten nur zu gut, dass es nicht
dabei bleiben würde.
Auf
Kaldrims anraten hatten Belagerungsgeschütze über große Distanz einen Abschnitt
der Hauptmauer mit Hylailer Feuer eingedeckt. Brennend stürzten Gestalten von
der Mauer, Schreie waren zu hören, doch die Geschütze ließen das Feuer nicht
enden. Ballisten ergänzten das Bombardement und schossen Salve um Salve auf die
Mauer um einen Bereich gänzlich zu räumen. Als es so schien als wäre ein guter
Teil der Mauer einigermaßen frei von Verteidigern, ließen wir die Fußtruppen
mit Leitern an die Mauern heranrücken. Überraschenderweise erwies sich Isonzo
hier als geschickter Taktiker, der die Vorteile der einzelnen Truppen gut zu
koordinieren wusste., Ja, an diesen Tagen und den Jahren davor entdeckten wir
unter uns immer wieder neue Fähigkeiten und Qualitäten und ich hoffte damals,
dass sie ausreichen würden um Borbarad besiegen zu können.
Die Trolle begannen rasch damit aus entwurzelten Bäumen eine Rampe hinauf auf die Krone der Mauer zu errichten, was den Aufstieg deutlich erleichtern sollte.
Die Trolle begannen rasch damit aus entwurzelten Bäumen eine Rampe hinauf auf die Krone der Mauer zu errichten, was den Aufstieg deutlich erleichtern sollte.
Die
Truppen waren nun an der Mauer, der Hauptteil unserer Streitmacht hielt sich
noch zurück, einzelne Truppenteile waren damit beschäftigt Kämpfer des Feindes
aufzureiben, die vor der Mauer postiert waren. Es gelang unter Opfern den
Fußtruppen mit den Leitern den Weg zur Mauer zu ebnen, so dass die Leitern
angelegt werden und von den Kämpfern zu Fuß erklommen werden konnten. Weitere
Kämpfer gelangten über die Trollrampe auf die Mauer und warfen sich sogleich in
den Kampf um die Vorherrschaft auf dem Bollwerk.
Rhazzazor,
der auf einem der Gipfel des Gebirges rechts des Bollwerkes weilte und bislang
nicht in die Schlacht eingriff, erhob sich nun in die Lüfte und flog zur Mauer.
Mit seinem Feuerodem deckte er die Mauerkrone ein, verbrannte unsere Krieger,
wie auch die der eigenen Seite. Schreie und der Gestank von verbranntem Fleisch
drangen zu uns herüber und setzten auch dem Kampfesmut der Truppen schwer zu.
Diese aber setzten nach und trieben einander über die Leitern auf die Mauer,
wohl wissend, dass sie nicht nachgeben durften, dass es kein Entkommen von
diesem Schlachtfeld gab, denn das Schlachtfeld würde sie über den ganzen
Kontinent verfolgen.
Der
Kampf zog sich und wir waren uns kaum bewusst wie schnell die Zeit verrann. Die
Kämpfer an der Mauer wurden von den Trollen und nun auch von Orks, die es
vorzogen gegen den Dämonenmeister zu kämpfen, unterstützt, und es schien als würden sie gemeinsam, auch
hier unter großen Opfern, einen Teil des Bollwerks halten können. Feldboten
trafen bei uns ein und berichteten von dem was die Truppen auf der Mauer sehen
konnten, denn das was hinter der Mauer lag, entzog sich unserer Blicke. Die
Boten berichteten von massiven Truppenaufgeboten, die hinter der Mauer
positioniert waren und wir hatten noch immer keine Möglichkeit gefunden um die
schwere Reiterei auf die andere Seite der Mauer zu bekommen wo sie mehr von
Nutzen gewesen wäre als tatenlos auf dem Feld vor der Mauer zu stehen. Pferden
und Reitern war anzumerken, dass sie nun danach dürsteten in die Schlacht zu
reiten, offenbar waren sie nun vollends von Rondras Kampfeswillen ergriffen worden.
Die Geschütze wurden angewiesen den Bereich hinter der Mauer mit Feuer
einzudecken, doch mussten sie dafür erst ein ganzes Stück in Richtung der Mauer
gebracht werden, was wertvolle Zeit kostete.
Für
das Problem mit der Mauer hatten die Geweihten der Rondra eine Lösung. Sie
schafften die wohl gehüteten Posaunen von Perricum herbei. Mächtige Artefakte
der Rondrakirche, mit denen es ein leichtes sein solle Mauern und Barrikaden
hinwegzufegen. Sie sollten eine Bresche in die Mauer schlagen können und damit
der Reiterei die Möglichkeit geben nun endlich in das Kampfgeschehen eingreifen
zu können. Ich gab damals zu bedenken, dass Mauertrümmer es für die Pferde
unmöglich machen würden die Bresche zu passieren und schlug vor die auelfischen
Reiter die Bresche mit mehreren nebeneinander beschworenen Regenbogenbrücken zu
überspannen um den Pferden ein gefahrloses und hindernisfreies passieren der
Bresche zu ermöglichen. Die Elfen sahen sich dazu imstande und bereiteten sich
vor um ihre Zauber im rechten Moment wirken zu können.
Wir
sandten Boten an die Mauer um die Truppen vom bevorstehenden Einsatz der
Posaunen in Kenntnis zu setzen. Diese waren jedoch derart in verzweifelte
Stellungskämpfe verwickelt um den gewonnenen Abschnitt der Mauer zu halten,
dass ich befürchte, dass nicht alle vor dem Einsatz der Posaunen in Sicherheit
waren.
Es
war soweit. Die Posaunen wurden geblasen und ein gewaltiges Dröhnen erschallte
über die Ebene und brandete wie die Gischt gegen die Mauer. Zuerst fürchteten
wir, dass die Posaunen an der verfluchten Mauer wohl keinen Schaden anzurichten
vermochten, doch plötzlich waren leuchtende Flächen an der Mauer zu erkennen
und kurz darauf barst ein Abschnitt von mehreren Schritt Breite und fiel
mitsamt all derer die noch obenauf standen, in sich zusammen.
Kurzer
Jubel erschallte über die Ebene, doch all jene, die noch keinen Blick über die
Mauer werfen konnten, wussten nicht was noch auf sie warten sollte. Die Truppen
formierten sich neu. Ich konnte von der rechten Flanke die Auelfen auf ihren
Zauberrössern heranpreschen sehen und wie geplant schufen Sie magische Brücken
über die unsere Kämpfer zu Pferd auf die andere Seite der Mauer gelangen
konnten.
Nun
waren auch wir daran uns auf den Weg zur Mauer zu machen. Wir blickten uns
ungewöhnlich lange an, zumindest erschien es mir so, und sollte mich meine
Erinnerung an diesen Tag nicht täuschten, sprachen wir auch nicht miteinander.
Es war als sei alles gesagt und man wusste, dass dies der Tag der Tage sein
sollte. Wir schlossen uns den Truppen an, ritten in Richtung der Mauer, die nun
immer höher vor uns heranwuchs. Links und rechts rannten und ritten hunderte
und tausende tapfererer Männer und Frauen aus ganz Aventurien, vorbei an den
gefallenen Körpern ihrer Brüder und Schwestern, den niedergeschmetterten
Leibern der Trolle, die ihr nahezu ewiges Leben für den Krieg der Menschen
gaben. Blut sammelte sich in Pfützen und Rinnsalen vor der Mauer und es war
kaum zu übersehen, dass die Mauer das Blut begierig aufzusaugen schien.
Die
Reiter bildeten einen Keil um uns herum. Durch den Donner der Hufe hörte ich
jemanden rufen, dass die Gezeichneten um jeden Preis so weit wie möglich in das
Gebiet des Feindes zu bringen seien. Wir erreichten die Mauer und es schien mir
als würde Satinav plötzlich die Zeit verlangsamen. Es schien ewig zu dauern bis
wir über die Brücke der Elfen die Mauer passierten, wir konnten nun die Armee
des Feindes sehen, die auf der anderen Seite auf uns gewartet hatte. Durch das
almadine Auge wusste ich, dass hinter der Mauer mehrere Orte starker magischer
Präsenz und Kraft lagen, nun wusste ich, dass diese noch weit hinter den auf
uns wartenden Truppen liegen mussten und sicher nahe dem feindlichen
Feldherrenhügel zu finden waren. Unnatürlich langsam erreichten wir das Ende
der Brücke und als würde die Zeit nun wieder in ihrer gewohnten Geschwindigkeit
laufen, brachen wir mit den Reitern um uns herum in den Feind.
Ich
spürte ein Beben durch die Reihen gehen, der Vormarsch wurde rasch gestoppt.
Stahl prallte aufeinander und Schreie gellten über die Truppen beider Seiten.
Es war für mich kaum noch auszumachen wer zu welcher Seite gehörte. Wir
kämpften verbissen und hieben um uns in den Feind. Überall waren Blut und
niedergestreckte Körper, Erdreich war kaum noch zu sehen. Immer wieder sahen
wir zwischen den menschlichen Gegnern auch daimonide Monstren, die nur
schwerlich zu besiegen waren. Meine Gefährten schlugen um sich und fällten
gemeinsam mit den Verbündeten Streitern Gegner um Gegner. Es war offensichtlich,
dass unsere Verbündeten alles versuchten um uns zu schützen, aus dem Gröbsten
herauszuhalten, auch wenn Ihnen das vor allem bei Yamira nur sehr schwer
gelang. Als der große Zermalmer zerquetschte und zerriss sie all jene, die Ihr
in die Quere kamen. Ihre Schuppige Haut glänzte schwarz vor Blut Ihrer Feinde
und in Ihren Echsenaugen glühte die pure Freude am Töten. Es war kaum zu
glauben wie sehr sie sich verändert hatte, seit wir unsere gemeinsame Reise
begonnen hatten. Ich riss meinen Blick von Ihr los und schlug einen Söldner des
Feindes nieder, der gerade noch einen vor mir stehenden Schwertkämpfer
abgestochen hatte. Kaldrim, Isonzo und Saari verschwanden immer wieder im
Getümmel, doch nur um kurz darauf an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Noch
schien es Ihnen gut zu gehen. Nachdem ich mich um meiner Gefährten vergewissert
hatte, warf ich mich nun auch wieder mit aller Kraft und Konzentration in die
kräftezehrende und nun bereits Stunden andauernde Schlacht.
Die
Sonnenscheibe senkte sich bereits gegen den Horizont, die Schlacht tobte nun
bereits Stunden und die Kraft wie Moral der Armee begann zu ermüden. Doch
plötzlich verspürten wir sie, diese enorme Präsenz, die von ihm ausging.
Borbarad, jener Träger der siebenstrahligen Dämonenkrone, der sich die ganze
Zeit noch nicht einmal bequemte der Schlacht beizuwohnen, als sei sie ein
unwichtiges Geplänkel, erschien nun nahe dem Schlachtfeld. Er war nun ganz
nahe, so dass mir, wie sicher auch meinen treuen Gefährten, nur allzu bewusst
wurde, dass nun die Entscheidung direkt bevorstand.
Dort,
wo wir um seine Gegenwart wussten, wurden grünliche lodernde Feuer entzündet,
deren Sinn und Zweck mir jedoch noch verborgen blieb. Ich erkannte durch das
adamantene Auge lediglich dass dort mehrere Orte magischer Kraft waren.
Befehle
wurden gerufen und ich bemerkte, dass nun mit letztem Kampfeswillen und aller
verfügbaren Kräfte Raum um uns Gezeichnete geschaffen wurde. Ayla kam
blutüberströmt und schwer atmend zu uns, in Ihrem Blick lag Aufforderung und
Verständnis. Sie nickte und rief uns zu „Ich hole nun das Kind… es ist soweit“.
Wir bestätigten ihr dies knapp und halfen so gut es ging die immer weiter
eindrängenden Feinde zurück zu halten.
Ich
kann heute nicht mehr sagen wie lange es dauerte bis Ayla mit dem Kind zurückkam.
Ich weiß noch, dass mir ein Reiter wortlos die Zügel seines Streitrosses in die
Hand drückte, auch meinen Gefährten wurde ein Pferd gebracht. Um uns herum bereiteten sich nun auch weitere
Berittene darauf vor in Richtung des Feldherrenhügels durchzubrechen. Sie
formten einen Keil um uns dessen Spitze direkt auf den Hügel wies auf dem
Borbarad sein musste. Doch kaum wollten wir den Pferden antreiben, donnerte ein
Wort wahrer Macht über das Schlachtfeld. „Starnaak!“. Ein Wort das ich noch nie
zuvor hörte und das wohl eines der kraftvollsten Worte war, die ich je vernahm.
Für eine Sekunde nach dem Wort schien es totenstill zu sein bis langsam der
Lärm der Schlacht wieder in mein Bewusstsein drang. Doch dieses Mal mischten
sich entsetzte Rufe mit hinein. Soldaten wiesen auf den Boden und nun konnten
auch wir erkennen dass sich der blutdurchtränkte und von Leichen übersäte Boden
hier und da anhob, als würden sich gigantische Maulwürfe Ihren Weg an die
Oberfläche bahnen. Ach wären es doch nur gigantische Maulwürfe gewesen, doch
zum Entsetzen aller gruben sich riesenhafte Skelette aus dem Erdreich und
erhoben sich aus dem Boden. So groß wie zwei Männer ragten sie über die Köpfe
der Kämpfenden und griffen nun unvermittelt unsere Frauen und Männer an.
Ogerskelette, die verdammten Überreste der Schlacht der tausend Oger vor so
vielen Jahren wurden mit nur einem einzigen Wort in den Dienst an seiner Seite
gezwungen. Schreie um uns herum, Panik, einer neben mir schrie: „Die tausend
Oger! Nicht noch einmal! Noch einmal überleben wir das nicht …!“. Wir hatten
nun keine Zeit mehr. Ayla rief uns zu: „Viele Wölfe sind des Löwen Tod!
Borbarads Schergen werden uns da draußen jagen. Aber wir werden zu ihm
durchdringen. Dann sind wir die Wölfe. Lasst es uns zu Ende bringen.“ Wir
schlugen in ihre angebotene Hand, die sie uns entgegenstreckte ein. Nun musste
es sein und wir trieben unsere Pferde rasch an. Ich blickte mich um und
inmitten des Keils aus Reitern der sich um uns bildete, konnte ich Yamira,
Saari, Ayla, Ardo, Kaldrim und Isonzo sehen. Alle wirkten erschöpft, am Ende
ihrer Kräfte, doch fest entschlossen nun nach all den Jahren allem ein Ende zu
machen, auf welchem Weg auch immer. Der Keil setzte sich in Bewegung. Kurz
vermeinte ich Prinzessin Emer höchstpersönlich an der Spitze gesehen zu haben,
bevor sie wieder hinter den gepanzerten Reitern verschwand. Das Donnern der
Hufe und die Schreie des Schlachtfeldes vermengten sich erneut. Kein Skalde
wüsste eine solche Schlacht zu beschreiben wissen und kein Lied könnte in einem
Menschenleben wiedergeben was sich an diesem Tage zutrug.
Der Ritt zum Feldherrenhügel erschien kurz im
Vergleich zur Schlacht, die wir bereits hinter uns hatten. Immer wieder fiel
einer der Reiter um uns herum den Gegnern zum Opfer, doch geschah dies nur in
unseren Augenwinkeln. Viel zu sehr hatte ich den Blick auf den Hügel geheftet,
viel zu sehr habe ich auf diesen Augenblick gewartet um nun noch wirklich
wahrnehmen zu können was um mich herum geschah. Wir waren nun mittlerweile fast
alleine und schließlich konnten wir ihn sehen… dort oben auf dem Hügel. Doch er
stand nicht wie ein Feldherr auf dem Hügel, nein, er tanzte. Er tanzte wie ein
Narr. Wir sahen die Krone auf seinem Haupt und sie schien uns förmlich
einzusaugen. Die Welt um mich herum verschwamm, ich glaubte verschwommene
Bilder erkennen zu können, als entsprangen sie einem Traum. Ich sah hohe
Drachen die im Limbus gegen die Gehörnten kämpften, ich sah alte Drachen ihre
Klauen an unbegreifliche Waagschalen legen und die Dämonenpakte wie sie Borbarad
gleichwohl in Richtung Sternenwall wie auch die Seelenmühle zogen. Durch das
adamantene Auge jedoch konnte ich das wahre Ausmaß der Schlacht erkennen und es
überwältigte mich wie nichts zuvor. Er führte nicht nur diese Schlacht hier an
der Ogermauer, oder auf dieser Existenzebene… Sollte er das Ritual, das er hier
begonnen hatte, für das die grünen Feuer entzündet wurden, durchführen können,
hätte er damit die Grundfesten aller Sphären zum Beben bringen können, denn
selbst gegen die Götter führte er Krieg.
Dort vor uns war er nun. Ein Schauer lief mir über
den Rücken als ich seine all einnehmende Präsenz verspürte. Ayla sprang
entschlossen vom Pferd noch bevor es vollkommen zum Stillstand kam. Sie hatte
Siebenstreich bereits kampfbereit in der Hand und schritt rasch auf Borbarad
zu. Sie rief ihm zu, dass sie es nun beenden wolle, doch Borbarad schien es
nicht zu kümmern. Er lächelte und faselte ihr etwas zu von wegen, dass er etwas
für sie vorbereitet hatte und dass er Neugier ob des Ausgangs des bevorstehenden
Kampfes verspürte. Er murmelte etwas und mit einem Male erschien ein Monstrum,
das von dem Geräusch unzähliger auf einander schlagender Klingen begleitet
wurde. Nur wenige Schritt vor Ayla schnitt sich etwas aus einer anderen Welt in
die unsere. Ein siebengehörnter Dämon, dessen Arme gleich Klingen und gleich
Hörner waren, mit einem Kopf wie eine Lanzenspitze fügte sich zusammen und fixierte
Ayla an, die nun bereit mit Siebenstreich auf das Unwesen zuging, entschlossen
für diese Welt zu siegen…. oder zu sterben.
Doch noch bevor ich das erste kreuzen der Klingen
Aylas und des Dämons sehen konnte, verschwamm alles um mich herum…. Die
Schlacht, meine Gefährten, Borbarad… all dies verschwand und machte einer
anderen Szenerie Platz. Ich fand mich plötzlich wieder in einem Raum wieder der
eindeutig tulamidisch geprägt war. Ganz aus weißem Marmor und mit feinen
Tüchern vor den Fenstern, durch die ein leichter lauwarmer Wind in den Raum
drang und den Geruch von exotischen Gewürzen und Rauschkräutern mit sich
trug. Von meinen Gefährten war keine
Spur zu sehen, doch dafür konnte ich Borbarad sehen, der es sich offenbar auf
einer der Liegegelegenheiten gemütlich gemacht hatte und mich wie einen alten Bekannten
betrachtete.
Er sprach nun mit mir und er tat es als wären wir
seit langer Zeit vertraute Weggefährten. Er sprach von dem Zorn in mir und ob
wir nicht lange wie Brüder gewesen seien. Er würde der Welt die Freiheit
bringen wollen und dafür Sorge tragen, dass mein Sohn leben würde. Mein Sohn…
mit diesen Worten zeigte er mir eine junge Frau, die einen kleinen Jungen in
Ihren Armen hielt. Ich erkannte sie, denn ich zeugte den Jungen mit Ihr und
schickte sie zu meinen Eltern nach Thorwal. Es war meine Familie, die er mir
zeigte, die ohne einen Mann und Vater hätte bleiben müssen, wenn ich denn an
Swafnirs Seite gegangen wäre. Dann zeigte er mir Bilder… Bilder wie ich
Borbarads Statthalter mit ihm über Aventurien herrschte, mit meiner Familie bei
mir. Der Preis dafür war deutlich, denn ich hätte mich ihm dafür anschließen
müssen. Er machte mir dieses Angebot mit honigweinsüßer Stimme, und ich spürte
wie das Auge strauchelte, der Hass für einen Moment erlosch und es das Für und
Wider abwog.
Doch ich war nicht nur ein Gezeichneter oder ein
Magier. Ich war auch ein Thorwaler, ein stolzer Normann, der nicht leben wollte
nur weil er das der Gnade eines Tyrannen, eines Mörders und eines
Sklavenhalters zu verdanken hat. Ich entschied mich das Angebot auszuschlagen
und mich ihm zu widersetzen. Es war mir in diesem Augenblick lieber mein Sohn
würde ohne Vater aufwachsen, doch dafür wissen, dass ich mich ihm nicht gebeugt
hatte, dass ich aufrecht gestorben sei wie ein wahrer Sohn des Meeres und dass
mir hierfür ein Platz an der Seite unseres großen Bruders gewiss sei.
„Nein, ich werde mich Dir nicht beugen und ich
werde nicht meinen Teil dazu beitragen, dass mein Sohn nur aus Deinen Gnaden leben
darf. Dies ist nicht Freiheit, dies ist Leben auf Dauer Deines Willens.“
Offenbar reizte dies ihn nun über alle Maßen, denn er sprang auf und spie Gift
und Galle, schrie mir Verwünschungen und Drohungen zu und versprach, dass meine
Liebsten sterben würden. Seine Macht brach über mich herein, ich spürte wie das
Leben aus mir rann. Meine Haare, meine Fingernägel wuchsen rapide, meine Haut
wirkte wie altes Pergament und der Rücken wurde mir ganz krumm. Er schrie mich
an, dass ich mich beugen und vor ihm knien sollte, doch ich wagte es nicht
meine Kraft versiegen zu lassen und versuchte so lange es ginge mich ihm zu
widersetzen.
Das almadine Auge brannte nun in meinem Schädel,
brannte darauf nun zum letzten Schlag auszuholen. Es schrie mir zu, zerrte mich
zu sich und wollte sich mit mir verbinden um mit geeinter Kraft Borbarad
unseren Hass entgegenzuschleudern. Es forderte ich auf mich ihm gegenüber
aufzugeben und ihm all meine verbliebene Kraft zu geben. Doch dazu war ich
nicht bereit. Weder Borbarad noch dem Auge wollte ich mich unterwerfen und wenn
ich schon sterben sollte, dann als Ragnar Starkardsson, Sohn von Solveig und
Starkard, Magier der Halle der Winde, erster Gezeichneter und während der
letzten Jahre… Arsch für alles.
Ich schrie, ich schrie meinen Hass und meine Wut
Borbarad entgegen und das Auge spürte dass ich mich nicht mit ihm verbinden
würde und schlug selbst los. In meinem Schädel entflammte ein Inferno, alles um
mich herum wurde glühend rot und weiss. Meine Existenz schien vor Schmerz zu zerbersten
als das Auge allen Hass auf Borbarad aussandte, den es so viele Jahre in sich
trug. Dann wurde es schwarz um mich herum. Ich spürte nur Schmerz und wie das
Leben zum größten Teil aus mir rann, als ich zusammenbrach. Doch statt der
barmherzigen Dunkelheit, die man von einer tiefen Bewusstlosigkeit erwartete,
sah ich meinen geschundenen Körper auf dem Boden liegen. Ich schwebte ohne Last
über ihm und meinen Blick zur Seite wendend sah ich auch die Körper meiner
Gefährten, zerstört, zerschmettert und ohne Leben. Nur das Kind, dem wir den
Namen Ardo gaben, stand noch vor Borbarad, die Klinge Siebenstreich in der Hand
haltend, unfähig sie zu heben. Wie auch immer ich es tat, ich schaffte es mich
zu ihm zu bewegen. Es schien das einzige, das noch wichtig war. Schemenhaft
konnte ich die geisterhaften Gestalten meiner Gefährten sehen, die sich aus
ihren Körpern erhoben hatten und es mir gleich taten. Wir verbanden uns in dem
Kind, ich konnte die Anwesenheit der anderen plötzlich deutlicher spüren als
jemals zuvor, ich war wir, sie waren ich, wir konnten den Griff der Kindeshand
um das Heft Siebenstreichs spüren. Mit geeinten Kräften hoben wir die Klinge
an, holten zum letzten Schlag aus und noch kurz bevor wir zuschlagen konnten,
war es Borbarads Augen anzusehen. Er wusste es. Wir hieben mit dem Schwert zu,
als wollten wir die Welten spalten, Splitter der berstenden Krone um uns herum,
Schreie und letztendlich... Schwärze.
Ich wachte in dem Zelt eines Heilers auf. Jeder
Muskel, jedes Gelenk… es gab nichts an meinem Körper das nicht schmerzte. Es
war offenkundig, dass ich vortrefflich versorgt wurde. Man sagte mir damals,
dass ich wohl fast bereit war auf den Rücken Golgaris zu steigen um mit ihm in
Borons Hallen zu fliegen. Es musste wirklich verdammt knapp gewesen sein.
Ich fragte nach meinen Gefährten, doch man wich mir
lange aus, was mir Antwort genug war. Die Gewissheit, dass meine Gefährten im
Kampf ihr Leben gelassen hatten schmerzte mich. Lange Jahre fochten wir
gemeinsam, hatten immer wieder Rückschläge zu bewältigen und wenige Erfolge zu
feiern. Nun jedoch schien es als hätte sich all dies zum Ende gelohnt. Borbarad
war bezwungen, die Dämonenkrone zersplittert, deren sieben Bruchstücke von
treuen Gefolgsleuten Borbarads geborgen und in die verfluchten Lande gebracht.
Borbarad hatte seine Erben gefunden, der Krieg war also nicht vorbei, doch
diese Schlacht war vorerst geschlagen.
Es dauerte eine Weile bis ich wieder vollends bei
Kräften war. Unablässig wollte man mich über die letzten Minuten der Schlacht befragen,
doch war mir noch lange nicht danach darüber zu sprechen. Das Leid, das auf dem
Schlachtfeld zurückblieb war überwältigend. Unzählige Opfer auf beiden Seiten
waren zu beklagen. Viele Familien würden vergeblich auf die Heimkehr ihrer
Liebsten warten.
Erst Wochen später, nachdem ich mich von den
körperlichen Wunden einigermaßen erholt hatte, raffte ich mein Hab und Gut
zusammen um wieder in meine Heimat zu reisen. Viele versuchten es mir
auszureden, wollten, dass ich mich dem weiteren Kampf gegen die selbsternannten
Heptarchen anschloss, doch für mich war dieser Krieg vorbei. Nicht nur mein
Körper war gealtert, auch an meiner Seele blieben große Narben, die ich wohl
den Rest meines Lebens spüren würde.
So brach ich auf um in meine Heimat zurückzukehren.
Das ferne Thorwal war vom Krieg verschont geblieben und es wartete meine
Familie auf mich. Ein Sohn, den ich erst noch kennenlernen musste, eine Frau,
die hoffentlich als meine Gefährtin an meine Seite trat und die ich auch erst
noch wahrlich kennenlernen musste, denn hatten wir bislang nur eine gemeinsame
Nacht miteinander. Hätte ich sie nicht in den Norden geschickt, sie wäre wohl
ebenfalls nicht mehr am Leben, denn Wandleth, die Stadt in der ich sie zum
ersten Mal traf, wurde durch den Giganten vollständig vernichtet.
Mein Weg führte mich allerdings nicht gleich in den
Norden. Zuerst reiste ich nach Punin, denn dort wollte ich mich in jener tiefen
Grabkammer von meinen Gefährten verabschieden. Dort, so wusste ich, wurden nach
der Schlacht Ihre Körper verwahrt und in Ehren gehalten. Tief unter dem
Borontempel, in einer Kälte, die nur Fels von sich geben kann, lagen Sie in
Ihren kunstvollen Sarkophagen.
Langsam schritt ich ihre Gräber ab, ließ meine
Finger über die mit Gravuren überzogenen Steinplatten gleiten, die ihre Körper
in ewiger Dunkelheit versiegeln sollten. Ich glaubte Ihr Lachen zu hören, ihre
Schreie und ihr Gezanke. Wohl waren sie die großartigsten Gefährten, die man
sich in einem Leben wünschen konnte und ich wusste, dass ich sie eines Tages
wiedersehen würde, wenn wir gemeinsam, Seite an Seite in die wirklich letzte
Schlacht zogen. Ich blieb vor dem einzig leeren Sarkophag stehen. Es stand mein
Name darauf. Es war ein merkwürdiges Gefühl hier zu stehen und auf das zu
blicken was einmal mein Sarg hätte sein sollen. Kurz überkam mich ein
Schuldgefühl. Während all meine Gefährten starben, war ich der einzige der
überlebte und in seine Heimat zurückkehren konnte. Doch, war es nun nicht meine
ehrenvolle Aufgabe ihre Geschichten weiterzutragen? Dafür Sorge zu tragen, dass
man sich nicht nur an Ihren Tod in der Schlacht erinnerte, sondern auch an alle
Taten, die sie in den Jahren zuvor vollbrachten?
So schließe ich, Ragnar „Feuerauge“ Starkardsson,
nun das letzte Kapitel dieser Aufzeichnungen in tiefer Dankbarkeit für die
gemeinsame Zeit mit meinen Gefährten, so schwierig diese Zeiten auch waren. Wir
mochten gemeinsam gestritten, gezankt und geschmollt haben… uns verband etwas
das weitaus mehr war als eine Schicksalsgemeinschaft. Tatsächlich war es tiefe
verwurzelte Freundschaft, die uns gemeinsam bis an das Ende der Welt führte.
Nie werde ich die gemeinsamen Abende vergessen an denen wir gelacht, getrunken
und gefeiert haben. In meinem Haus werden fortan bei jedem Fest Plätze für sie
frei sein, ein Fenster wird immer für sie geöffnet sein und es mag in den
langen Wintern keinen Abend geben an dem nicht eine ihrer Geschichten erzählt
werden wird.
Ihr fehlt mir und werdet mir immer fehlen, meine
treuen Gefährten und Freunde.
Das Wohl, so war es, und so wird es sein.