Sonntag, 31. März 2019

Das Siebte Zeichen

13. Peraine 1021 BF

Am nächsten Morgen verlässt Krallawatsch mit uns die Feste der Trolle. Als wir die marmorne Brücke überqueren, drehe ich mich ein letztes Mal um und je weiter ich gehe, desto mehr schwindet die gewaltige Trollfeste, bis sie nicht mehr zu erkennen ist, außer normales Gebirge. Fast wehmütig schaue ich wieder nach vorn und verinnerliche das in den letzten Tagen Geschehene. Meine Wunden schmerzen, aber diese Wunden waren es wert. Die Trolle waren es wert! Sie ziehen mit uns in den Krieg! Welch gewaltige Kampfkraft wird uns da zuteil. Jede meiner Wunden härtet mich für die nächste Schlacht. Sphärenschänder, zieh dich warm an, so langsam haben wir eine Streitmacht und Waffen, die sich nicht mehr verstecken brauchen...Ich ziehe einen Verband nochmal enger über die Wunde an der Schulter und stapfe hinter meinen Gefährten her, den großen Schritten des Trollschamanen angestrengt folgend...

Er führt uns erneut nach Rasch Bromm Knartsch und erst spät am Abend erreichen wir den Berg. Krallawatsch berührt erneut die beiden Felsen, die sich rumpelnd öffnen und uns den Eingang freigeben. Erneut betreten wir die Höhle und Isonzo öffnet mit seiner Hand den Spalt zur Grotte mit den Herzsplittern.

Wir stellen uns alle um den Schlund um den die zehn Felssäulen stehen. In mitten von acht von ihnen schweben noch immer die vorhandenen Herzsplitter. Trockene Hitze wallt aus der Finsternis unter uns und lässt unsere Zungen am Gaumen kleben. Etwas ist heute anders. Etwas großes, gewaltiges bahnt sich an...

Als Krallawatsch seinen Splitter an einen Platz gibt, erbebt die Erde und der Splitter bleibt vibrierend zwischen den steinernen Zähnen stehen. Dann geht Isonzo einen Schritt vor und gibt den letzten Splitter an die letzte verbleibende Lücke.

Als der letzte Splitter an seinem Platz verweilt, bebt die Erde erneut, nun kräftiger und wilder als zuvor. Mit einem Mal glühen alle zehn Splitter in sattem Grün auf und beginnen zu rotieren. Sie werden immer schneller und ein dumpfes Wummern ertönt aus der Tiefe. Rhythmisch, pulsierend, angsteinflößend. Meine Gedanken mischen sich irgendwie mit allen anderen. Mensch, Zwerg, Troll - Hass, Gier, Jagdlust - DAS sind seine Gedanken. Nein meine oder vielmehr unsere Gedanken. Wir sind alle Teil eines Rudels. Ein heißer Windhauch durchdringt die Höhle, wie der Atem eines wilden Tieres. Plötzlich wird alles verständlich. Graufang! Der Himmelswolf! Niemand kann das geflügelte Geschoß jetzt noch aufhalten. Ich beginne zu wanken. Ich höre eine Stimme, kann jedoch nicht sagen woher "Bote, bitte um das Bündnis! Jetzt!" Plötzlich löst sich Kaldrims Falke von seiner Haut und vor uns erscheint ein Tier - ein Wolf, ein riesiger Wolf! Der Falke umflattert ihn, bis er sich wimmernd zu Kaldrim zurückzieht. Geifernd steht der Wolf vor uns, hechelnd öffnet er sein Maul und starrt Saaris Wolf Fenris an. Entschlossen blickt Fenris Graufang an und die beiden stehen sich sekundenlang gegenüber. Sie ähneln sich. Der eine durchscheinend und riesig, der andere wie ein Welpe aus dem Wurf dieser Bestie. Plötzlich springt Fenris. Beide drehen sich um die eigenen Achse und werden dann eins. Das riesige Tier streckt nun den geisterhaften Kopf empor und es dringt ein Heulen aus der Tiefe des Schlundes, der uns in Mark und Bein fährt.

Ragnars Auge vibriert in seiner Höhle, Kaldrims Bildnis windet sich winselnd auf seiner Haut, ich verwandle mich plötzlich in den Wächter und Schmerzen durchdringen jede einzelne Schuppe und nur schwer unterdrücke ich ein Schreien, Isonzos Hand beginnt zu glühen und zwingt ihn vor Schmerz auf die Knie, die Kappe des Kindes leuchtet auf und der Junge blickt mit großen Augen, fast schon lächelnd auf den Schlund und Siebenstreich erklingt wie eine Glocke, während Ayla es kaum noch halten kann, so schwer scheint es zu werden.

Gewaltig ist das Geheul aus dem Maul der Erscheinung und sie scheint direkt aus dem Schlund zu kommen... Nein! Kein Geheul!.. es sind Worte... Worte der Finsternis... Unvermittelt dreht sich die Gestalt ruckartig zu Saari, brüllt sie an und sie erhebt sich in die Luft. Getragen wird sie vom heißen Atem Graufangs, zerrt sie in die Mitte des Schlunds, vereint mit der geisterhaften Gestalt des Wolfes. Seine Gedanken schmecken nach Blut und Lava. Wir alle können seine Worte hören, als sie von den Wänden hallen... "Und du willst mich rufen dürfen? Zeig dass du es würdig bist! Zeig dass du Schmerzen erträgst, Sterbliche! Denn Schmerzen bringt, wer mich ruft!"

Der erste, vibrierende Herzsplitter dreht sich nun so schnell, dass ein pfeifendes Geräusch entsteht. Dann löst er sich plötzlich blitzschnell von seiner Stelle und schlägt mit unglaublicher Wucht wie ein Geschoß in ihren Körper ein. Blut spritzt und ein gellender Schrei erfüllt die Grotte. Der nächste Splitter löst sich und wieder schlägt er in Saari ein. Tödlich, präzise, genau. Wieder ertönt ein Schrei, der uns in Mark und Bein fährt. Unfähig irgendetwas dagegen zu tun, beobachten wir alle das unerträgliche Malträtieren, welches Saari widerfährt. Ein Splitter nach dem anderen saust in sie hinein und jedesmal spritzt Blut und benetzt ein Jeden von uns. Irgendjemand fleht die Götter um Gnade an, war es Ayla? Keine Gnade! Noch mehr Blut und noch mehr Einschläge bis alle zehn Splitter in ihr eingedrungen sind. Eine letzte gewaltige Windböe vom tosenden, heißen Atem Graufangs wirft uns alle einige Schritte zurück... selbst Krallawatsch... dann umfängt uns alle nur noch tiefe Schwärze und wir alle verlieren das Bewusstsein...