Dienstag, 7. Mai 2019

Ankunft im Heerlager

20. Ingerimm 1021 BF

Gegen Mittag erreichen wir gemeinsam das Heerlager an der Trollpforte. Schon von Weitem erkennt man ein Lager von sicherlich gut 40.000 Mann. Es erstreckt sich an der Reichsstraße gut jeweils eine Meile lang. Ein Meer aus weißen und braunen Zelten. Man sagte uns, dass die "Verbündeten", wie sich das Heer nun nennt, viele sind, doch es überschreitet in der Tat meine Erwartungen. Hunderte, nein Tausende von Bannern wehen über die Zelte. Am Rande des Lagers gen Westen lagert der Tross, Handwerker, Waffenknechte, Marketender, Barden, Prediger, Heiler, Gaukler und Huren.
Das Hauptlager ist von einer hölzernen Palisade umgeben mit einem schritttiefen Graben und gut sechzig Wachtürme umsäumen das Gebiet.

Als wir das Lager erreichen, verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: "Die Gezeichneten sind da".
Aus allen Herren Ländern sind die Heerscharen gekommen, vom jungen Bauern, der ehrfürchtig zu uns aufschaut, bis hin zum glanzvollen Ritter in polierter Rüstung, dem es eine Ehre ist mit uns zu kämpfen. Aranier, Tulamiden, Horasier und Thorwaler, Zwerge, Elfen und Menschen - Seite an Seite - ein Bündnis, das nur zu einem Zweck zusammenhält - IHN zu vernichten.
Die Menschenmassen strömen um uns zusammen, Hochrufe sind zu hören, es wird gedrängelt und geschubst jeder will einen Blick auf uns erhaschen.

Während Kaldrim und Isonzo dies sichtlich genießen, starre ich kühl abschätzend umher und mache mir bereits Gedanken über unsere Siegschancen. Viel Kriegsvolk ist versammelt, aber auch viel Angst ist in den Augen der jungen Männer zu sehen, die den Krieg noch nicht kennengelernt haben. Hoffnung flammt in ihren Augen auf, als sie uns erblicken, die ich ungern löschen möchte und so bahne ich mir ernst und schweigend meinen Weg durch die Menge.

Schließlich kommt uns die Löwengarde entgegen und macht recht rücksichtslos ein wenig Platz für uns. Sie geleitet uns zum Marschallshügel. Er ist mit einer eigenen Palisade umzäunt. Hier stehen prunkvolle Zelte und die Löwengarde hält Wache. Reichsmarschall Leomar von Berg begrüßt uns und weist uns ebenfalls ein prunkvolles Zelt zu. Ich versorge mein Pferd selbst, nachdem ich dem neuen Reichsmarschall Leomar von Berg nur kurz zunicke und dann den Stallburschen folge. Mir ist das ganze Getue um uns gerade zuviel. Der Reichsmarschall begleitet meine Gefährten zum Zelt und lädt uns zu einem kaiserlichen Abendessen mit Reichsbehüter Brin und seiner Gemahlin ein.

Als ich wiederkehre inspiziere ich meine Lagerstätte, ziehe meine Stiefel aus und lege mich kurz hin.
Kaldrim lässt derweil einen Schneider kommen um ein eigenes Banner für uns anfertigen zu lassen.
Isonzo überreicht plötzlich Ragnar einen Teppich, mit einem Beschwörungszirkel darauf. Er ist sichtlich gerührt. Ein wirklich schönes Geschenk.

Ich finde keine Ruhe und möchte die Mauer in Augenschein nehmen und Kaldrim begleitet mich auf einen der Wachtürme innerhalb des Hügels. Der Anblick verschlägt mir fast den Atem. Eine gut vier Meilen lange Mauer verläuft in perfekter Nord-Süd-Ausrichtung, so dass sie schräg durchs Tal verläuft. Sie ist gut acht Schritt hoch und sicherlich genauso dick. Es ist grauenerregend, was aus der einstigen Steinmauer geworden ist - eine dämonische Wucherung. Inmitten der schwarzen Sichel und der Trollzacken verläuft ein Wall aus Sicheln und Zacken aus ölig glänzendem dunklem Gestein. Bastionen, wie geschmolzene Türme auf den Krakenarme wuchern; splittergespickte Mannpforten und polierte Riesentore aus Metall verraten, dass die Kasematten auch innen verbessert wurden. Gekrönt wird der Wall von einer Reihe an Stellungen für Pfeilgeschütze, Gargylen und monströsen Idolen, ebenso wie eine Kette von Pfählen und Holzkreuzen, an denen zerschundene Leichen, vollständige Skelette und andere Knochen- und Schädelteile befestigt sind. Diese Mauer scheint unüberwindbar.

Als wir den Turm verlassen, bittet mich Kaldrim ihm zu folgen und wir gehen zu den Zwergen ins Lager. Kaldrim lässt mich kurzerhand am Bierwagen zurück und unterhält sich mit Ingrascha. Sicherlich teilt er ihr mit, dass sie, wenn alles gut läuft, vermutlich Aradolosch neu besiedeln können. Ich trinke derweil mit den Zwergen einige Humpen Bier, was in der Tat vorzüglich schmeckt. Diese Zwerge sind deutlich wehrhafter, als die Zwerge, die ich bisher traf. Schwer gerüstet mit Kette und Äxten. Sie sind dreckig, doch stinken sie nicht. Es sieht eher so aus, als hätten sie sich zur Tarnung mit etwas eingeschmiert. Sie sind aus groberem Holz, oder sollte ich besser sagen Stein geschnitzt. DAS sind Zwerge, wie ich sie mir immer vorgestellt habe.

Auf dem Rückweg in unser Zelt falle ich wieder mal in eine Diskussion über Zwerge und ihr verschiedenes Dasein mit Kaldrim, was zur Folge hat, dass wir uns wieder einmal am Ende gegenseitig beleidigen. Sollten wir die Schlacht nicht überleben, so wird mir das sicher fehlen.