Freitag, 17. Juli 2015

Mherwed

9. Hesinde 1011 BF

Von weitem schon sehen wir Mherwed in der Sonne leuchten. Weiße, flache Gebäude umringt von einer großen Stadtmauer erwarten uns. Die Gardisten lassen uns passieren und wir dringen in eine lärmende Stadt voller Tulamiden und Novadis ein. Dem Nivesen läuft der Schweiß in Strömen. Ich erkundigen mich bei einem hiesigen Jungen nach einem Gasthaus und er beschreibt mir den Weg zur „Blühenden Rose“. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem weiteren Torbogen vorbei, hinter dem ein riesiger Basar liegt, ebenfalls ummauert. Wir halten uns weiter nach rechts zum Gasthaus und finden eine wunderschöne Bleibe die ihrem Namen alle Ehre macht. Ein blühender Garten überdacht von Baldachinen liegt vor dem Haus und es werden den Gästen auf Diwans Früchte und Tee gereicht.

Als ich mich ins Innere begebe, fällt mir sofort auf, dass nur Männer hier anwesend sind. Aus Respekt verschleiere ich mich schnell und spreche auf tulamidisch einen der Herren an um um Zimmer zu beten. Doch er schaut mich abwertend an und wünscht meinen Herren zu sprechen. Welch alte Sitten, diese Zeiten sind, den Göttern sei Dank, in Aranien lange vorbei. Ich wende mich ab und hole Ardo zu Hilfe. Er entschuldigt sich vorab bei mir und betritt mit mir das Haupthaus um mich lautstark zu demütigen, mit sichtbarem Erfolg bei den Bediensteten. Wir bekommen schnell unsere Zimmer und alles wird zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt, damit unser werter Herr Ardo auch ja nicht mehr schreit. Ich muss mir fast das Schmunzeln verkneifen, trotz der Beschimpfungen die ich zum Wohle der Gruppe hab über mich ergehen lassen.
Nachdem die Pferde versorgt sind, machen wir uns auf zum Basar. Ardo begibt sich zuerst ins Badehaus. Kaldrim hat es sich ein wenig zu Aufgabe gemacht, dem Nivesen unter die Arme zu greifen, der hier wirklich sehr verloren aussieht. Als wir auf dem Basar ankommen umgibt uns ein mächtiger Geräuschpegel von feilschenden Händlern und Massen an Menschen. Der Platz ist riesig und wir kaufen uns erstmal passende Kleidung für die Khom. Als wir Richtung Mitte des Platzes kommen, staut sich abstossende Wut und Ekel in mir auf. Im Zentrum des Marktes ist ein Sklavenhandel aufgebaut. Ich wende mich schleunigst ab und laufe nur am Rand des Basars entlang. Zu sehr quälen mich meine Erinnerungen.

Als ich weitgehend alles habe, wende ich mich wieder Richtung Ausgang und höre eine Weile einem Geschichtenerzähler zu. Als er mit einer Geschichte fertig ist und sich die Leute wieder verstreuen, gehe ich auf ihn zu, gebe ihm eine Zechine und befrage ihn zur Khomwüste. Es gibt tatsächlich einen alten Vulkan im Herzen der Khom , die „Wal el Khomchra“ , ein zerklüftetes Sandsteingebirge, der alte Sitz Pyrdacors. DAS ist es, endlich ergeben die Worte auf Puspereikens Zettel einen Sinn. Dort muss das zweite Siegel sein! Als ich mich verabschiede und aufstehe, trifft mich fast der Schlag. Ich erblicke Sulman al Venish und er erkennt mich. Wir starren uns gegenseitig an, Angst schleicht sich in mir empor. Ich werde leichenblass. Ich sehe vor meinem inneren Auge Maraskan. Ich sehe wie er eiskalt über die Toten läuft und sie wieder erweckt. Ich sehe wie alle meine Freunde, meine Lebensretter abgeschlachtet werden und er ist dafür verantwortlich. Er ist für Darjinns Tod verantworlich. Ich blicke in seine eiskalten Augen und ich höre wieder Darjinns Schreie „Lauf!“
Ragnar holt mich aus der Starre und frägt was los sei. Ich sage nur „Er ist hier! Der Nekromant!“ Ich zeige auf ihn, drehe mich rum und meine Füsse beginnen zu laufen, als sei der Namenlose hinter mir her. Ich nehme keinerlei Rücksicht auf die Leute, renne teilweise halbe Stände um und renne bis ins Gasthaus ohne anzuhalten. Schnell bestelle ich mir Schnaps und nach den ersten drei Bechern beruhige ich mich langsam wieder. Ragnar kommt kurz nach mir herein und auch Ardo betritt frisch gestriegelt und gut riechend den Schankraum. Beide machen mir schwere Vorwürfe, weil ich vor unserem Feind weggelaufen bin, aber das schert mich nicht. Sie haben ihn nicht erlebt. Sie wissen nicht wie viel Kummer dieser Mann mir bereitet hat. Ich habe die letzten vier Jahre versucht mich zu wehren, gegen all das Unrecht und was hat es mir gebracht ? Ich habe meine Mutter verloren, meinen Arm , meine Liebsten, meinen Glauben und diese beiden meinen mir Vorwürfe zu machen. Pfh! Ich habe zum ersten Mal den Wunsch mich von diesem Mann fernzuhalten, anstatt gegen ihn zu kämpfen. Ich habe aufgegeben. Ich werde das Siegel finden, wenn ich Glück habe sogar Puspereiken, aber ich werde mich nicht gezielt auf die Jagd nach Sulman begeben!

Trotzdem begleite ich Ardo und Ragnar nochmals zum Basar. Korvo folgt uns, doch er ist sehr schweigsam. Ich glaube wir verwirren ihn. Kaldrim hat ihn komplett mit neuer Kleidung eingedeckt. Er sieht irgendwie lustig aus mit seinem Turban, seinen Pluderhosen und seinen spitzen Schuhen. Um was es wirklich geht, hat er glaube ich noch nicht verstanden, aber das wird schon. Woher sollte er auch. Ich habe ihm ja noch nicht alles erzählt. Wir erfahren auf dem Basar, dass Sulman Ausrüstung kaufen wollte, wohl ebenfalls für eine Reise in die Khom.

Wir begeben uns zur Karawanserei und suchen nach einem Karawanenführer der uns zur Wal el Khomchra bringt, doch wir werden nur belächelt und an einen jungen Burschen verwiesen, der wohl einiges für wenig Geld machen würde. Yassim und sein Kumpane Nedim lassen sich überreden uns dorthin zu führen. Er besitzt drei Kamele die uns als Lasttiere zu Verfügung stehen. In zwei Tagen brechen wir auf. Ob Sulman schon fort ist, erfahren wir nicht.