Samstag, 15. Dezember 2018

Argareth

10./11. Rondra 1021 BF

Plötzlich knallt meine Zimmertür auf und Kaldrim steht, komplett bekleidet, in der Tür. Mit der linken Hand an die offene Tür gestütz, lallt er etwas davon, dass wir sofort zur Blutulme müssen, er habe gerade mit dem Baum geredet und es sei wichtig. Kurzerhand dreht er sich rum und während ich mich ankleide, stürzt er genauso forsch in den Schlafsaal und weckt lautstark Isonzo und alle anderen Mitbewohner des Hauses, die nicht recht erfreut darüber sind.

Schnell verlassen wir das Gasthaus und holen die Pferde. Der Stallbursche hilft Kaldrim noch aufs Pferd. Die frische Nachtluft scheint ihm nicht ganz zu bekommen, aber er kann sich im Sattel halten.
Wir verlassen die Innenstadt durch die Stadtmauer und gelangen zum Palastgelände, das ebenfalls ummauert und bewacht ist. Ehe Kaldrim lauthals wieder losblökt, gemahne ich ihn zur Ruhe und rede mit den Palastwachen, die uns die Pferde abnehmen und uns leise zu Fuß in den Palastgarten führen. Kaldrim ist kaum zu beruhigen, nachdem ihm bewusst wird, dass Prinz Brin am Schlund ist und Prinzessin Emer nun allein zuhause. Er faselt was von "Ständchen bringen" und nur mit viel Mühe kann ich ihn zur Besinnung bringen. An einer Brunnenstelle wirft er sich Wasser ins Gesicht und fasst sich ein wenig.

Wir gelangen zur Blutulme. Ein riesiger mächtiger Baum, dessen Blätter rauschen, trotz Windstille. Sein Holz knarzt sanft vor sich hin und plötzlich spricht Kaldrim laut mit ihm. Offensichtlich redet der Baum bereits mit ihm und Kaldrims Falke fliegt plötzlich in die Äste des Baumriesen. Auf einmal erklingt Kaldrims Antwort mit der sonderbaren Stimme des Waldes, die wir schon öfters hörten, aber diesmal nicht laut donnernd und tosend, sondern leise und man hat das Gefühl die ganze Natur um uns herum flüstert seine Worte. Isonzo und ich warten ab, da wir den Baum nicht verstehen können und es dauert eine ganze Weile, bis die beiden fertig sind.

Nachdem uns die Palastwachen irgendwann zurückgebracht haben, verlangt Kaldrim noch, dass sie Prinzessin Emer ausrichten sollen, dass wenn wir zurückkommen, er ihr eine Minne vortragen wird.

Auf dem Weg zurück berichtet uns Kaldrim, dass die Ulme Argareth ihn um Hilfe gebeten hat. Sie sei die Mitte von allem. In der Brache steht eine pervertierte schwarze Eiche, deren Wurzeln alles verseuchen. Sie breitet sich aus und irgendwann wird sie auch hierher kommen. Wir müssen sie vernichten, sonst sei alles verloren. Auf Kaldrims Frage hin, scheint unter der Eiche auch irgendetwas zu liegen. Sie offenbarte ihm die Richtung und wir beschließen am nächsten Tag aufzubrechen.

Kaldrim bestätigt noch meine ursprünglichen Befürchtungen, dass ich womöglich recht haben könnte, dass Balphemor doch nicht nur ein pflichterfüllter Hüter ist, sondern vermutlich wirklich was mit bösartigeren Mächten zu tun hat. Ohne weiter darauf einzugehen, genieße ich seine Zustimmung. Denn das warum, ist deshalb noch immer nicht geklärt.

Ehe ich mich wieder schlafen lege, studiere ich erneut die gefundenen Schriftstücke und mir fällt auf, dass auch Ardanos, damals von fliegenden Augen berichtete, die ihn beobachteten. Ebenso halte ich den krank aussehenden Magister, der die Hesindegeweihte tötete ebenfalls für Balphemor. Desweiteren vermute ich, dass der verschwundene Magister Gratenfels den Kelch vielleicht schon einmal fand, seine Artefaktfähigkeit vielleicht bösartig verändert und er wieder in die Brache zurückgebracht wurde. Vielleicht war auch er schon eine Form von Balphemor oder zumindest sein Handlanger.
Nach dem Studieren des Deckblatts des Symposiums, erscheint es mir sogar, als ob die Blutulme Argareth das gesuchte Herz des Kontinents ist. Sagte Kaldrim nicht, sie sei die Mitte? All die Ausführungen des Symposiums passen zusammen. Wenn die Blutulme sich dermassen bedroht fühlt, könnte es sein, dass das gesuchte Element des Urquells sogar Humus ist und der pervertierte Kelch des Humus die Eiche mitsamt ihren Wurzeln verseucht und alles bedroht. Wenn das alles wahr ist, so dürfen wir keine Zeit verlieren und müssen den Kelch schnellstmöglichst finden. Über all diesen Gedanken falle ich irgendwann in den Schlaf.