Sonntag, 19. Juli 2015

Isenhöh

27. Travia 1016 BF

Nach dem Frühstück treffen wir wieder auf Kaldrim in seiner Kutsche und reisen weiter nach Süden. Es schneit immer stärker und eisiger Wind schneidet uns ins Gesicht. Trotz meiner dicken Kleidung halte ich es nicht länger aus und binde Soraya ebenfalls hinter die Kutsche und steige zu Kaldrim ins Wageninnere. Es ist nicht wirklich wärmer, aber der eisige Wind ist weg und dick eingewickelt in Decken lässt es sich hier drin aushalten. Am späten Mittag gelangen wir nach Ifirns Kappeln und kehren im „Schwarzen Bären“ ein. Wieder gibt’s es Rinderbrühe und die anderen bestellen sich noch Lowanger Saure Wurst. Klingt nicht gerade köstlich und da ich auf dem Weg einen Praiostempel gesehen habe, mache ich mich nach meiner Suppe auf den Weg dorthin. Ein Novize nimmt mich in Empfang, doch als ich ihn nach den Ereignissen der Umgebung befrage, holt er den Geweihten herbei. Ein alter, tattriger Praiosgeweihter kommt mir entgegen und gibt mir Auskunft, dass im Rondra ein Bauer tot im Bett aufgefunden wurde, ohne ein Anzeichen einer Erkrankung oder Wunde. Nachdem man ihn ordentlich bestattet hatte, mit Grabsegen und allem was dazugehöre, sei sein Grab am nächsten Morgen leer gewesen. Genaueres weiß er nicht zu berichten.

Als ich ins Gasthaus zurückkehre, erzählen mir die anderen dasselbe, was hier mehr als Gerücht kursiert. Wir suchen nach dem Essen noch die Perainegeweihte auf, die den Leichnam des Bauern untersucht haben soll und erfahren, dass das Grab seltsam geöffnet aussah. Der Sarg sei zertrümmert gewesen und das Grab auch nicht ordentlich aufgeschaufelt, sondern als wenn der Tote selbst dem Grab entstiegen sei. Sie habe den Toten selbst untersucht, er war definitiv tot gewesen ohne irgendwelchen Anzeichen für die Ursache. Er war erst um die dreißig Götterläufe alt und gesund. Nun sei der Leichnam seitdem verschwunden.

Wir reisen weiter um gegen Abend noch Isenhöh zu erreichen. Es wird immer kälter und dicke Eiszapfen hängen am Schild des einzigen Wirthauses. Durchgefroren begeben wir uns in die gute Stube, während ein Stallknecht sich um unsere Pferde und die Kutsche kümmert. An einem Tisch sitzen ein Zwerg und eine Travia-Geweihte, zu denen sich Kaldrim gleich hinzugesellt, während wir noch auf unser Essen warten. Sie erzählen uns bereitwillig, dass hier vor drei Monden der junge Gernot Balderfuchs einfach tot auf dem Feld gefunden wurde. Keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung. Er wurde auf dem hiesigen Boronsanger beerdigt. Des Weiteren sei aus diesem Gasthaus ein Händler einfach verschwunden. Sein Hab und Gut habe er zurückgelassen. Er war am nächsten Morgen einfach weg. Ebenso seien im Rondra vier Ziegen gerissen worden, doch ob es einfach nur Wölfe waren, sei man sich unsicher, so früh im Jahr. Doch in Anbetracht des frühen Winters sei das natürlich auch erklärbar. Im Efferd habe man zu guter Letzt die Frau der Blaufüchsens nach Braunsfurt gebracht, da sie an einem Schwächeanfall litt, obwohl sie eigentlich kerngesund sei.

Kaldrim bittet Ardo, ob es denn möglich sei, das Grab des Jungen genauer zu untersuchen und den Grabsegen danach wieder zu erneuern. Doch Ardo schaut ihn nur scharf an, gibt keine Antwort und trinkt einen großen Schluck. Das ist Antwort genug und Kaldrim verstummt.

Nach dem Essen begeben sich Ragnar und Kaldrim zum Boronsanger und begutachten das zugeschneite Grab des jungen Mannes, der vor kurzem hier verstarb. Als sie zurückkehren erzählen sie nur, dass das Grab unberührt sei und sie nichts Auffälliges fanden.
Während die anderen sich alle ein Zimmer gemietet haben, nächtige ich im Schlaafsaal. Ardo hält im Gang Wache und von Ragnars Zimmer höre ich die Riegel einschnappen.