Sonntag, 19. Juli 2015

Im Finsterkamm

5. Rondra 1017 BF

Der Regen hat endlich aufgehört. Trotzdem ist es kalt. Ich wurde zur Hundswache geweckt und als die Sonne aufgeht, mache ich mir einen Becher heißes Wasser mit einem Schuss Schnaps und wecke Kaldrim. Er wollte mir zeigen wie schön die Berge sein können. Ehe dieser zu sich kommt, höre ich Ragnars Stimme hinter mir und er erzählt mir von dem Verband seiner Sippe und seinem Gott Swafnir. Seine Art zu glauben, ist eine andere als der Glauben zu den Zwölfen und ich muss eingestehen, dass Kaldrims Worte gestern Abend schon richtig waren, dass der Glaube jedem sein eigen ist. Ich entschuldige mich bei den beiden und werde versuchen in Zukunft etwas weniger dunkel zu denken. Vielleicht lebt es sich tatsächlich leichter, wenn man sich ein wenig weniger sorgt. Als Kaldrim endlich aus seinem Zelt kommt, beschreibt er die Berge als das was sie sind, Hüter der Schätze von Erz und Gold, schlafende Götter, Schöpfer der Zwerge. Ich hatte etwas ganz anderes erwartet. Niemals zuvor habe ich mir Gedanken darüber gemacht. Aber wozu auch, ich kann diesen Gebirgen ja doch nichts abgewinnen. Ebenso erzählt mir Kaldrim von seiner Heimat und ich frage nach seiner Familie, doch ehe er mir antwortet, hören wir plötzlich einen seltsamen Gesang. Ragnar steht am Rand des Lagers, schaut in die Ferne und hat einen tiefen Gesang angestimmt. Seine Hände klopfen dabei rhythmisch auf seine Brust und die Worte die er singt, sind uns unbekannt. Nachdem er fertig ist, gehe ich zu ihm und frage nach, ob das Lieder von seinem Volk sind und was er denn gerade besungen hat. Es war ein uraltes Lied der Hjaldinger, das ihm Kraft verleiht. Gedankenversunken starre ich schweigend in die Ferne und hoffe, dass das was kommen mag, nicht allzu schlimm wird.

Ehe wir aufbrechen, wirft Ragnar seine Krötenhaut in den Abgrund und fühlt sich nun befreiter. Jetzt erst bemerke ich seinen stattlichen Oberkörper, der wohl auch tätowiert zu sein scheint. Ich hatte bisher nie wirklich auf ihn geachtet, nicht mal, als wir uns in Rhodenstein das Zimmer teilten. Er scheint bemerkt zu haben, dass ich ihn betrachte, denn er fängt an, sich im Sattel zu strecken und zu räkeln, so dass seine Muskeln erst recht zum Vorschein treten. Er wird niemals so sein, wie die südländischen Magier. Sein Leinenhemd trägt er locker geschnürt, seine Haare wallen über seinen Fellumhang. Er bleibt ein Nordmann, wie er im Buche steht. Nur dass er zaubern kann ist untypisch für solch einen Hünen. Wenn ich an seine jähzornigen Ausbrüche denke, so bleibt er auch ohne seine nietenbesetzte Lederrüstung eine beeindruckende Person.

Gegen Mittag gelangen wir unversehrt durch eine Ogerklamm, in der die Zwerge uns zur Ruhe mahnen, da es hier immernoch Oger gibt. Glücklicherweise begegnen wir keinem, doch links von uns erkennen wir in einer tiefen Schlucht viele Skelette. Doch sie scheinen eher orkisch zu sein und ein Mönch erzählt uns, dass im Orkensturm die Klamm einfach zu eng war für die stürmenden Massen und so mancher Ork in den Tod stürzte.

Als ich mich irgendwann zu Kaldrim zurückfallen lasse, frage ich ihn erneut nach seiner Familie und seiner Heimat und im Gespräch kommt heraus, dass er eigentlich nur ein Abenteurer ist, der alles Schöne auf Dere liebt, seien es die Frauen, der Wein, Gewänder, Poesie, Schmuck oder sonstiges. Und er hat es sich zur Aufgabe gemacht, der zweitbeste Charmeur Aventuriens zu werden. Als ich ihn frage, warum nur der zweitbeste, erklärt er mir verschmitzt, dass er ja sonst keinen Ansporn mehr hätte sich zu verbessern. Das Gespräch ist recht amüsant und wir lachen beide. Die Klosterbrüder tadeln uns mit ihren Blicken und ich muss an Ardo denken. Doch Kaldrim hat so eine aufmunternde Art, dass es gerade mal gut tut ein wenig die Seele baumeln zu lassen, anstatt schon wieder düsteren Gedanken den freien Lauf zu lassen. Er zaubert erneut eine Blume aus seinem Umhang und steckt sie Soraya an den Sattel, mit fester Überzeugung, dass keine Frau seinem Charme entkommt. Es ist so eine herzliche Geste, dass ich nicht umhin komme ihm tatsächlich Recht zu geben. Ragnar kommt hinzu und ich erkundige mich nach seiner Familie in seiner Heimat. Als er mir erklärt, dass Thorwaler Sklavenhalterstädte überfallen und brandschatzen, kommen wir auf Al'Anfa zu sprechen und meine Stimmung verdüstert sich wieder ein wenig. Ich erzähle ihnen wie ich nach Al'Anfa kam und das Ishar immernoch nach mir sucht. Ragnar kann das alles nicht verstehen, warum ich nicht schon längst nach Vergeltung verlangt hätte, sondern wie bei Sulman immer nur davon laufen würde. Doch andere Länder andere Sitten. Kaldrim baut mich wieder auf, dass meine Gefährten mich schützen würden und schlägt nach alldem vor, irgendwann mal gemeinsam feiern zu gehen um die Gefallenen mit Geschichten zu ehren. Ein schöner Gedanke und ich nehme mir fest vor ihn beim Wort zu nehmen. Ich habe mich niemals wirklich von den meinen verabschieden können, vielleicht würde es mir gut tun, wie auch schon das Gespräch an sich gut tat, mir mal ein wenig von der Seele zu reden. Ich wünschte nur, Ardo hätte das alles auch erfahren.