Montag, 20. Juli 2015

Die Überfahrt

6. Praios 1019 BF

Kaum das die Sonne aufgeht beginnt das laute Treiben an Bord und die Mannschaft macht das Schiff klar zum Auslaufen.
Ein letzter wehmütiger Blick auf Khunchom und in mir zieht sich alles zusammen. Wieder nach Maraskan, wieder über die wankende See, was wird diesmal alles geschehen. Es ist zehn Jahre her, dass ich dort war. Noch während ich gedankenversunken den Blick auf den Horizont des Meeres hefte und in alten Erinnerungen versinke, merke ich wie die Zedracke immer mehr in den Wellen wankt, als sie die Bucht verlassen hat und in mir verkrümmt sich alles. Es dauert keine Stunde, ehe ich über der Reeling hänge und mich übergebe. Ich wusste es! Kaldrim sitzt am Hauptmast, ebenso ein wenig blass, doch bei Weitem scheint es ihm nicht so schlecht zu gehen wie mir. Haimamud steht neben seinem ersten Maat, die konzentriert aufs Meer stiert, während sie das große Steuerrad fest umklammert. Eine Seefrau durch und durch wie mir scheint. Meine Überfahrt ist ein stetiger Wechsel zwischen Reihern und von Schwäche übermanntem Sitzen und ich möchte, wie damals, am liebsten Sterben.

Plötzlich ruft der Ausguck irgendwas, was ich nicht genau verstehe, denn alleine der Blick nach Oben zum wankenden Mast bringt mich wieder zum Würgen. Ich bekomme mit, dass wir von einem mittelreichischen Kriegsschiff verfolgt werden und es wird hektisch an Bord. Unfähig mich zu rühren, versuche ich weitgehend keinem im Weg zu sitzen. Ardo kommt voll gerüstet und bewaffnet an Bord und wirft mir nur einen entschlossenen Blick zu, Kaldrim macht sich daran den Männern zu helfen, irgendwas über Bord zu werfen, während Ragnar auf einmal ein Hexagramm auf die Bohlen zeichnet und sich hineinsetzt und sich konzentriert. Was bei den Niederhöllen treibt er da? Das Schiff wird schneller und wechselt die Richtung, mein Magen dreht sich immer wieder und wenn auch nichts mehr kommt, so würge ich mir doch immer wieder die Seele aus dem Leib. Ich behalte Ragnar im Auge und plötzlich kommt aus dem Bannkreis eine Windhose, die langsam Formen annimmt und eine wispernde Stimme erschallt „Was befiehlt ihr Meister?“ Mir bleibt vor Furcht fast das Herz stehen. Eine einfache Aufforderung von Ragnar und der Dschinn füllt die großen Segel der Zedracke, die so schnell an Fahrt gewinnt, dass es sogar Ardo von den Sohlen reißt und er rücklings stürzt. Der Abstand zum Kriegsschiff wird schnell größer und langsam entspannt sich die Lage an Bord wieder. Doch bei so schneller Fahrt wird der Rumpf des Schiffes stark gebeutelt und ich kann vor lauter Übelkeit nicht mal mehr klar denken. Immer wieder blicke ich ehrfürchtig zu dem Dschinn und zu Ragnar, der mit stolz erfüllter Brust, die Gischt des Meeres genießt, im siegessicheren Wissen uns alle gerettet zu haben.

Wir nähern uns Maraskan. Von Weitem schon eine beeindruckende Insel. Eine große Gebirgskette windet sich von Nord nach Süd, umarmt von einem grünen Gürtel, der nach unten hin lichter wird, bis die Insel von weißen Sandstränden umrandet vom grün-türkisenen Meer umspült wird.