Sonntag, 19. Mai 2019

Das Ende - berichtet von einem Gefährten


Es scheint als wäre es an mir, Ragnar ‘Feuerauge‘ Starkardsson, diese letzten Zeilen in das Tagebuch meiner treuen Freundin Yamira zu schreiben, denn es obliegt mir als einzigem Überlebenden der Gezeichneten von den letzten Stunden meiner Gefährten und Freunde zu berichten, auf dass niemals in Vergessenheit gerate was damals geschah.

Es war der frühe Morgen des 24. Ingerimm im Jahre 1021 nach Bosparans Fall. Frauen und Männer aller Länder hatten sich unter den Bannern versammelt und Aufstellung bezogen um geeint gegen den Feind zu ziehen, der nur wenige Meilen entfernt die Ogermauer wieder errichtet hatte. Den meisten unserer Kämpfer war anzusehen, dass sie sich fürchteten, lieber zu Hause im Bett liegen würden als an diesem Tag nach Ostion zu blicken und zu wissen, dass nur wenige, wenn überhaupt jemand, lebendig aus dieser Schlacht zurückkehren würde. Der Blick in die Gesichter meiner Gefährten verriet mir, dass sie zu allem bereit waren. Jahre des Kampfes, des Scheiterns und des Schmerzes hatten auch sie geprägt und tiefe Kerben in den Planken hinterlassen.

Die Heerführer verließen sich auf unser Wort. Wir würden maßgeblich an dem Verlauf der Schlacht beteiligt sein, denn unser Wort wog nun deutlich mehr als es noch vor Wochen der Fall war.
Nun wandte auch ich meinen Blick gegen Ostion, oder Osten wie die Mittelreicher sagen. Dort war deutlich die vier Meilen lange, befestigte Mauer zu sehen. Von hinten durch die Sonne beschienen wirkte sie noch viel dunkler und unheiliger. Nur zu gut konnte man auch auf diese Entfernung die sich windenden Tentakel ausmachen die aus dem kalten Stein herauswuchsen und nur eine erste Ahnung von dem gaben was an diesem Tag noch auf uns zukommen sollte.

Im Südostion gab es eine zweite Mauer, offenbar nicht ganz so stark ausgebaut wie die Hauptmauer, jedoch sicherlich ebenfalls stark besetzt. Diese schien fast zu einladend zu sein, weswegen wir eine Falle an dieser Stelle vermuteten und uns dagegen entschieden diese direkt anzugreifen. Wohl aber entschieden wir uns dazu Truppen nahe der Mauer zu postieren um im Falle eines Ausfalls entsprechend reagieren zu können.

Ayla ritt vor die Truppen und hielt eine flammende Rede. Noch heute erinnere ich mich an den Wortlaut und ihre gottähnliche Erscheinung auf dem Schlachtfeld. So musste Rondra aussehen und es war mir nun klar weshalb Efferd sie auswählte um mit Ihr unseren großen Bruder Swafnir zu zeugen. Mit ihrer strahlenden Rüstung, hoch auf dem Ross und Siebenstreich stolz in die Luft erhoben, entfachte sie einen donnernden Sturm des Jubels unter den Truppen. 

Die Truppen bezogen Stellung, während der Wind giftig und unheilig anmutende Dämpfe und Geräusche über die Mauer zu uns trug. Menschen, Elfen, Zwerge, ja sogar Orks standen Seite an Seite, bereit für den Kampf, der alles entscheiden sollte. Als wäre diese ungewöhnliche Geeintheit der Völker nicht bereits bemerkenswert genug gewesen, so erschien es wie ein Götterwunder, als sich die Trolle den verzweifelten Verteidigern anschlossen und damit in einer Düsternis der Verzweiflung eine Flamme der Hoffnung in den Streitern entzündeten. 

Vor der Mauer warteten bereits riesige schleimige Klumpen, die wir leicht als Dharais erkennen konnten. Jene widerlichen Kreaturen aus den Niederhöllen, die einen Menschen ohne sichtbare Anstrengung in zwei Teile zerreißen konnten. Zwar waren sie sehr langsam, was sie aber nicht minder gefährlich machte. Zwischen den Dämonen schrien und stampften mehrere Horden von rotpelzigen Goblins, die sich offenbar dem Willen des Dämonenmeisters unterworfen haben. Erste Truppen wurden entsandt um die Dämonen durch die Hilfe der geweihten Waffen wieder in die Niederhöllen zurückzuschicken und die Goblins aufzumischen. Dies war nur unter ersten Verlusten möglich, doch wir wussten nur zu gut, dass es nicht dabei bleiben würde.

Auf Kaldrims anraten hatten Belagerungsgeschütze über große Distanz einen Abschnitt der Hauptmauer mit Hylailer Feuer eingedeckt. Brennend stürzten Gestalten von der Mauer, Schreie waren zu hören, doch die Geschütze ließen das Feuer nicht enden. Ballisten ergänzten das Bombardement und schossen Salve um Salve auf die Mauer um einen Bereich gänzlich zu räumen. Als es so schien als wäre ein guter Teil der Mauer einigermaßen frei von Verteidigern, ließen wir die Fußtruppen mit Leitern an die Mauern heranrücken. Überraschenderweise erwies sich Isonzo hier als geschickter Taktiker, der die Vorteile der einzelnen Truppen gut zu koordinieren wusste., Ja, an diesen Tagen und den Jahren davor entdeckten wir unter uns immer wieder neue Fähigkeiten und Qualitäten und ich hoffte damals, dass sie ausreichen würden um Borbarad besiegen zu können.
Die Trolle begannen rasch damit aus entwurzelten Bäumen eine Rampe hinauf auf die Krone der Mauer zu errichten, was den Aufstieg deutlich erleichtern sollte. 

Die Truppen waren nun an der Mauer, der Hauptteil unserer Streitmacht hielt sich noch zurück, einzelne Truppenteile waren damit beschäftigt Kämpfer des Feindes aufzureiben, die vor der Mauer postiert waren. Es gelang unter Opfern den Fußtruppen mit den Leitern den Weg zur Mauer zu ebnen, so dass die Leitern angelegt werden und von den Kämpfern zu Fuß erklommen werden konnten. Weitere Kämpfer gelangten über die Trollrampe auf die Mauer und warfen sich sogleich in den Kampf um die Vorherrschaft auf dem Bollwerk. 

Rhazzazor, der auf einem der Gipfel des Gebirges rechts des Bollwerkes weilte und bislang nicht in die Schlacht eingriff, erhob sich nun in die Lüfte und flog zur Mauer. Mit seinem Feuerodem deckte er die Mauerkrone ein, verbrannte unsere Krieger, wie auch die der eigenen Seite. Schreie und der Gestank von verbranntem Fleisch drangen zu uns herüber und setzten auch dem Kampfesmut der Truppen schwer zu. Diese aber setzten nach und trieben einander über die Leitern auf die Mauer, wohl wissend, dass sie nicht nachgeben durften, dass es kein Entkommen von diesem Schlachtfeld gab, denn das Schlachtfeld würde sie über den ganzen Kontinent verfolgen.

Der Kampf zog sich und wir waren uns kaum bewusst wie schnell die Zeit verrann. Die Kämpfer an der Mauer wurden von den Trollen und nun auch von Orks, die es vorzogen gegen den Dämonenmeister zu kämpfen, unterstützt,  und es schien als würden sie gemeinsam, auch hier unter großen Opfern, einen Teil des Bollwerks halten können. Feldboten trafen bei uns ein und berichteten von dem was die Truppen auf der Mauer sehen konnten, denn das was hinter der Mauer lag, entzog sich unserer Blicke. Die Boten berichteten von massiven Truppenaufgeboten, die hinter der Mauer positioniert waren und wir hatten noch immer keine Möglichkeit gefunden um die schwere Reiterei auf die andere Seite der Mauer zu bekommen wo sie mehr von Nutzen gewesen wäre als tatenlos auf dem Feld vor der Mauer zu stehen. Pferden und Reitern war anzumerken, dass sie nun danach dürsteten in die Schlacht zu reiten, offenbar waren sie nun vollends von Rondras Kampfeswillen ergriffen worden. Die Geschütze wurden angewiesen den Bereich hinter der Mauer mit Feuer einzudecken, doch mussten sie dafür erst ein ganzes Stück in Richtung der Mauer gebracht werden, was wertvolle Zeit kostete.

Für das Problem mit der Mauer hatten die Geweihten der Rondra eine Lösung. Sie schafften die wohl gehüteten Posaunen von Perricum herbei. Mächtige Artefakte der Rondrakirche, mit denen es ein leichtes sein solle Mauern und Barrikaden hinwegzufegen. Sie sollten eine Bresche in die Mauer schlagen können und damit der Reiterei die Möglichkeit geben nun endlich in das Kampfgeschehen eingreifen zu können. Ich gab damals zu bedenken, dass Mauertrümmer es für die Pferde unmöglich machen würden die Bresche zu passieren und schlug vor die auelfischen Reiter die Bresche mit mehreren nebeneinander beschworenen Regenbogenbrücken zu überspannen um den Pferden ein gefahrloses und hindernisfreies passieren der Bresche zu ermöglichen. Die Elfen sahen sich dazu imstande und bereiteten sich vor um ihre Zauber im rechten Moment wirken zu können.
Wir sandten Boten an die Mauer um die Truppen vom bevorstehenden Einsatz der Posaunen in Kenntnis zu setzen. Diese waren jedoch derart in verzweifelte Stellungskämpfe verwickelt um den gewonnenen Abschnitt der Mauer zu halten, dass ich befürchte, dass nicht alle vor dem Einsatz der Posaunen in Sicherheit waren.

Es war soweit. Die Posaunen wurden geblasen und ein gewaltiges Dröhnen erschallte über die Ebene und brandete wie die Gischt gegen die Mauer. Zuerst fürchteten wir, dass die Posaunen an der verfluchten Mauer wohl keinen Schaden anzurichten vermochten, doch plötzlich waren leuchtende Flächen an der Mauer zu erkennen und kurz darauf barst ein Abschnitt von mehreren Schritt Breite und fiel mitsamt all derer die noch obenauf standen, in sich zusammen.
Kurzer Jubel erschallte über die Ebene, doch all jene, die noch keinen Blick über die Mauer werfen konnten, wussten nicht was noch auf sie warten sollte. Die Truppen formierten sich neu. Ich konnte von der rechten Flanke die Auelfen auf ihren Zauberrössern heranpreschen sehen und wie geplant schufen Sie magische Brücken über die unsere Kämpfer zu Pferd auf die andere Seite der Mauer gelangen konnten.

Nun waren auch wir daran uns auf den Weg zur Mauer zu machen. Wir blickten uns ungewöhnlich lange an, zumindest erschien es mir so, und sollte mich meine Erinnerung an diesen Tag nicht täuschten, sprachen wir auch nicht miteinander. Es war als sei alles gesagt und man wusste, dass dies der Tag der Tage sein sollte. Wir schlossen uns den Truppen an, ritten in Richtung der Mauer, die nun immer höher vor uns heranwuchs. Links und rechts rannten und ritten hunderte und tausende tapfererer Männer und Frauen aus ganz Aventurien, vorbei an den gefallenen Körpern ihrer Brüder und Schwestern, den niedergeschmetterten Leibern der Trolle, die ihr nahezu ewiges Leben für den Krieg der Menschen gaben. Blut sammelte sich in Pfützen und Rinnsalen vor der Mauer und es war kaum zu übersehen, dass die Mauer das Blut begierig aufzusaugen schien.

Die Reiter bildeten einen Keil um uns herum. Durch den Donner der Hufe hörte ich jemanden rufen, dass die Gezeichneten um jeden Preis so weit wie möglich in das Gebiet des Feindes zu bringen seien. Wir erreichten die Mauer und es schien mir als würde Satinav plötzlich die Zeit verlangsamen. Es schien ewig zu dauern bis wir über die Brücke der Elfen die Mauer passierten, wir konnten nun die Armee des Feindes sehen, die auf der anderen Seite auf uns gewartet hatte. Durch das almadine Auge wusste ich, dass hinter der Mauer mehrere Orte starker magischer Präsenz und Kraft lagen, nun wusste ich, dass diese noch weit hinter den auf uns wartenden Truppen liegen mussten und sicher nahe dem feindlichen Feldherrenhügel zu finden waren. Unnatürlich langsam erreichten wir das Ende der Brücke und als würde die Zeit nun wieder in ihrer gewohnten Geschwindigkeit laufen, brachen wir mit den Reitern um uns herum in den Feind.

Ich spürte ein Beben durch die Reihen gehen, der Vormarsch wurde rasch gestoppt. Stahl prallte aufeinander und Schreie gellten über die Truppen beider Seiten. Es war für mich kaum noch auszumachen wer zu welcher Seite gehörte. Wir kämpften verbissen und hieben um uns in den Feind. Überall waren Blut und niedergestreckte Körper, Erdreich war kaum noch zu sehen. Immer wieder sahen wir zwischen den menschlichen Gegnern auch daimonide Monstren, die nur schwerlich zu besiegen waren. Meine Gefährten schlugen um sich und fällten gemeinsam mit den Verbündeten Streitern Gegner um Gegner. Es war offensichtlich, dass unsere Verbündeten alles versuchten um uns zu schützen, aus dem Gröbsten herauszuhalten, auch wenn Ihnen das vor allem bei Yamira nur sehr schwer gelang. Als der große Zermalmer zerquetschte und zerriss sie all jene, die Ihr in die Quere kamen. Ihre Schuppige Haut glänzte schwarz vor Blut Ihrer Feinde und in Ihren Echsenaugen glühte die pure Freude am Töten. Es war kaum zu glauben wie sehr sie sich verändert hatte, seit wir unsere gemeinsame Reise begonnen hatten. Ich riss meinen Blick von Ihr los und schlug einen Söldner des Feindes nieder, der gerade noch einen vor mir stehenden Schwertkämpfer abgestochen hatte. Kaldrim, Isonzo und Saari verschwanden immer wieder im Getümmel, doch nur um kurz darauf an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Noch schien es Ihnen gut zu gehen. Nachdem ich mich um meiner Gefährten vergewissert hatte, warf ich mich nun auch wieder mit aller Kraft und Konzentration in die kräftezehrende und nun bereits Stunden andauernde Schlacht.

Die Sonnenscheibe senkte sich bereits gegen den Horizont, die Schlacht tobte nun bereits Stunden und die Kraft wie Moral der Armee begann zu ermüden. Doch plötzlich verspürten wir sie, diese enorme Präsenz, die von ihm ausging. Borbarad, jener Träger der siebenstrahligen Dämonenkrone, der sich die ganze Zeit noch nicht einmal bequemte der Schlacht beizuwohnen, als sei sie ein unwichtiges Geplänkel, erschien nun nahe dem Schlachtfeld. Er war nun ganz nahe, so dass mir, wie sicher auch meinen treuen Gefährten, nur allzu bewusst wurde, dass nun die Entscheidung direkt bevorstand.

Dort, wo wir um seine Gegenwart wussten, wurden grünliche lodernde Feuer entzündet, deren Sinn und Zweck mir jedoch noch verborgen blieb. Ich erkannte durch das adamantene Auge lediglich dass dort mehrere Orte magischer Kraft waren. 

Befehle wurden gerufen und ich bemerkte, dass nun mit letztem Kampfeswillen und aller verfügbaren Kräfte Raum um uns Gezeichnete geschaffen wurde. Ayla kam blutüberströmt und schwer atmend zu uns, in Ihrem Blick lag Aufforderung und Verständnis. Sie nickte und rief uns zu „Ich hole nun das Kind… es ist soweit“. Wir bestätigten ihr dies knapp und halfen so gut es ging die immer weiter eindrängenden Feinde zurück zu halten.

Ich kann heute nicht mehr sagen wie lange es dauerte bis Ayla mit dem Kind zurückkam. Ich weiß noch, dass mir ein Reiter wortlos die Zügel seines Streitrosses in die Hand drückte, auch meinen Gefährten wurde ein Pferd gebracht. Um uns herum bereiteten sich nun auch weitere Berittene darauf vor in Richtung des Feldherrenhügels durchzubrechen. Sie formten einen Keil um uns dessen Spitze direkt auf den Hügel wies auf dem Borbarad sein musste. Doch kaum wollten wir den Pferden antreiben, donnerte ein Wort wahrer Macht über das Schlachtfeld. „Starnaak!“. Ein Wort das ich noch nie zuvor hörte und das wohl eines der kraftvollsten Worte war, die ich je vernahm. Für eine Sekunde nach dem Wort schien es totenstill zu sein bis langsam der Lärm der Schlacht wieder in mein Bewusstsein drang. Doch dieses Mal mischten sich entsetzte Rufe mit hinein. Soldaten wiesen auf den Boden und nun konnten auch wir erkennen dass sich der blutdurchtränkte und von Leichen übersäte Boden hier und da anhob, als würden sich gigantische Maulwürfe Ihren Weg an die Oberfläche bahnen. Ach wären es doch nur gigantische Maulwürfe gewesen, doch zum Entsetzen aller gruben sich riesenhafte Skelette aus dem Erdreich und erhoben sich aus dem Boden. So groß wie zwei Männer ragten sie über die Köpfe der Kämpfenden und griffen nun unvermittelt unsere Frauen und Männer an. Ogerskelette, die verdammten Überreste der Schlacht der tausend Oger vor so vielen Jahren wurden mit nur einem einzigen Wort in den Dienst an seiner Seite gezwungen. Schreie um uns herum, Panik, einer neben mir schrie: „Die tausend Oger! Nicht noch einmal! Noch einmal überleben wir das nicht …!“. Wir hatten nun keine Zeit mehr. Ayla rief uns zu: „Viele Wölfe sind des Löwen Tod! Borbarads Schergen werden uns da draußen jagen. Aber wir werden zu ihm durchdringen. Dann sind wir die Wölfe. Lasst es uns zu Ende bringen.“ Wir schlugen in ihre angebotene Hand, die sie uns entgegenstreckte ein. Nun musste es sein und wir trieben unsere Pferde rasch an. Ich blickte mich um und inmitten des Keils aus Reitern der sich um uns bildete, konnte ich Yamira, Saari, Ayla, Ardo, Kaldrim und Isonzo sehen. Alle wirkten erschöpft, am Ende ihrer Kräfte, doch fest entschlossen nun nach all den Jahren allem ein Ende zu machen, auf welchem Weg auch immer. Der Keil setzte sich in Bewegung. Kurz vermeinte ich Prinzessin Emer höchstpersönlich an der Spitze gesehen zu haben, bevor sie wieder hinter den gepanzerten Reitern verschwand. Das Donnern der Hufe und die Schreie des Schlachtfeldes vermengten sich erneut. Kein Skalde wüsste eine solche Schlacht zu beschreiben wissen und kein Lied könnte in einem Menschenleben wiedergeben was sich an diesem Tage zutrug.

Der Ritt zum Feldherrenhügel erschien kurz im Vergleich zur Schlacht, die wir bereits hinter uns hatten. Immer wieder fiel einer der Reiter um uns herum den Gegnern zum Opfer, doch geschah dies nur in unseren Augenwinkeln. Viel zu sehr hatte ich den Blick auf den Hügel geheftet, viel zu sehr habe ich auf diesen Augenblick gewartet um nun noch wirklich wahrnehmen zu können was um mich herum geschah. Wir waren nun mittlerweile fast alleine und schließlich konnten wir ihn sehen… dort oben auf dem Hügel. Doch er stand nicht wie ein Feldherr auf dem Hügel, nein, er tanzte. Er tanzte wie ein Narr. Wir sahen die Krone auf seinem Haupt und sie schien uns förmlich einzusaugen. Die Welt um mich herum verschwamm, ich glaubte verschwommene Bilder erkennen zu können, als entsprangen sie einem Traum. Ich sah hohe Drachen die im Limbus gegen die Gehörnten kämpften, ich sah alte Drachen ihre Klauen an unbegreifliche Waagschalen legen und die Dämonenpakte wie sie Borbarad gleichwohl in Richtung Sternenwall wie auch die Seelenmühle zogen. Durch das adamantene Auge jedoch konnte ich das wahre Ausmaß der Schlacht erkennen und es überwältigte mich wie nichts zuvor. Er führte nicht nur diese Schlacht hier an der Ogermauer, oder auf dieser Existenzebene… Sollte er das Ritual, das er hier begonnen hatte, für das die grünen Feuer entzündet wurden, durchführen können, hätte er damit die Grundfesten aller Sphären zum Beben bringen können, denn selbst gegen die Götter führte er Krieg.

Dort vor uns war er nun. Ein Schauer lief mir über den Rücken als ich seine all einnehmende Präsenz verspürte. Ayla sprang entschlossen vom Pferd noch bevor es vollkommen zum Stillstand kam. Sie hatte Siebenstreich bereits kampfbereit in der Hand und schritt rasch auf Borbarad zu. Sie rief ihm zu, dass sie es nun beenden wolle, doch Borbarad schien es nicht zu kümmern. Er lächelte und faselte ihr etwas zu von wegen, dass er etwas für sie vorbereitet hatte und dass er Neugier ob des Ausgangs des bevorstehenden Kampfes verspürte. Er murmelte etwas und mit einem Male erschien ein Monstrum, das von dem Geräusch unzähliger auf einander schlagender Klingen begleitet wurde. Nur wenige Schritt vor Ayla schnitt sich etwas aus einer anderen Welt in die unsere. Ein siebengehörnter Dämon, dessen Arme gleich Klingen und gleich Hörner waren, mit einem Kopf wie eine Lanzenspitze fügte sich zusammen und fixierte Ayla an, die nun bereit mit Siebenstreich auf das Unwesen zuging, entschlossen für diese Welt zu siegen…. oder zu sterben.

Doch noch bevor ich das erste kreuzen der Klingen Aylas und des Dämons sehen konnte, verschwamm alles um mich herum…. Die Schlacht, meine Gefährten, Borbarad… all dies verschwand und machte einer anderen Szenerie Platz. Ich fand mich plötzlich wieder in einem Raum wieder der eindeutig tulamidisch geprägt war. Ganz aus weißem Marmor und mit feinen Tüchern vor den Fenstern, durch die ein leichter lauwarmer Wind in den Raum drang und den Geruch von exotischen Gewürzen und Rauschkräutern mit sich trug.  Von meinen Gefährten war keine Spur zu sehen, doch dafür konnte ich Borbarad sehen, der es sich offenbar auf einer der Liegegelegenheiten gemütlich gemacht hatte und mich wie einen alten Bekannten betrachtete.

Er sprach nun mit mir und er tat es als wären wir seit langer Zeit vertraute Weggefährten. Er sprach von dem Zorn in mir und ob wir nicht lange wie Brüder gewesen seien. Er würde der Welt die Freiheit bringen wollen und dafür Sorge tragen, dass mein Sohn leben würde. Mein Sohn… mit diesen Worten zeigte er mir eine junge Frau, die einen kleinen Jungen in Ihren Armen hielt. Ich erkannte sie, denn ich zeugte den Jungen mit Ihr und schickte sie zu meinen Eltern nach Thorwal. Es war meine Familie, die er mir zeigte, die ohne einen Mann und Vater hätte bleiben müssen, wenn ich denn an Swafnirs Seite gegangen wäre. Dann zeigte er mir Bilder… Bilder wie ich Borbarads Statthalter mit ihm über Aventurien herrschte, mit meiner Familie bei mir. Der Preis dafür war deutlich, denn ich hätte mich ihm dafür anschließen müssen. Er machte mir dieses Angebot mit honigweinsüßer Stimme, und ich spürte wie das Auge strauchelte, der Hass für einen Moment erlosch und es das Für und Wider abwog.

Doch ich war nicht nur ein Gezeichneter oder ein Magier. Ich war auch ein Thorwaler, ein stolzer Normann, der nicht leben wollte nur weil er das der Gnade eines Tyrannen, eines Mörders und eines Sklavenhalters zu verdanken hat. Ich entschied mich das Angebot auszuschlagen und mich ihm zu widersetzen. Es war mir in diesem Augenblick lieber mein Sohn würde ohne Vater aufwachsen, doch dafür wissen, dass ich mich ihm nicht gebeugt hatte, dass ich aufrecht gestorben sei wie ein wahrer Sohn des Meeres und dass mir hierfür ein Platz an der Seite unseres großen Bruders gewiss sei.
„Nein, ich werde mich Dir nicht beugen und ich werde nicht meinen Teil dazu beitragen, dass mein Sohn nur aus Deinen Gnaden leben darf. Dies ist nicht Freiheit, dies ist Leben auf Dauer Deines Willens.“ Offenbar reizte dies ihn nun über alle Maßen, denn er sprang auf und spie Gift und Galle, schrie mir Verwünschungen und Drohungen zu und versprach, dass meine Liebsten sterben würden. Seine Macht brach über mich herein, ich spürte wie das Leben aus mir rann. Meine Haare, meine Fingernägel wuchsen rapide, meine Haut wirkte wie altes Pergament und der Rücken wurde mir ganz krumm. Er schrie mich an, dass ich mich beugen und vor ihm knien sollte, doch ich wagte es nicht meine Kraft versiegen zu lassen und versuchte so lange es ginge mich ihm zu widersetzen.
Das almadine Auge brannte nun in meinem Schädel, brannte darauf nun zum letzten Schlag auszuholen. Es schrie mir zu, zerrte mich zu sich und wollte sich mit mir verbinden um mit geeinter Kraft Borbarad unseren Hass entgegenzuschleudern. Es forderte ich auf mich ihm gegenüber aufzugeben und ihm all meine verbliebene Kraft zu geben. Doch dazu war ich nicht bereit. Weder Borbarad noch dem Auge wollte ich mich unterwerfen und wenn ich schon sterben sollte, dann als Ragnar Starkardsson, Sohn von Solveig und Starkard, Magier der Halle der Winde, erster Gezeichneter und während der letzten Jahre… Arsch für alles.

Ich schrie, ich schrie meinen Hass und meine Wut Borbarad entgegen und das Auge spürte dass ich mich nicht mit ihm verbinden würde und schlug selbst los. In meinem Schädel entflammte ein Inferno, alles um mich herum wurde glühend rot und weiss. Meine Existenz schien vor Schmerz zu zerbersten als das Auge allen Hass auf Borbarad aussandte, den es so viele Jahre in sich trug. Dann wurde es schwarz um mich herum. Ich spürte nur Schmerz und wie das Leben zum größten Teil aus mir rann, als ich zusammenbrach. Doch statt der barmherzigen Dunkelheit, die man von einer tiefen Bewusstlosigkeit erwartete, sah ich meinen geschundenen Körper auf dem Boden liegen. Ich schwebte ohne Last über ihm und meinen Blick zur Seite wendend sah ich auch die Körper meiner Gefährten, zerstört, zerschmettert und ohne Leben. Nur das Kind, dem wir den Namen Ardo gaben, stand noch vor Borbarad, die Klinge Siebenstreich in der Hand haltend, unfähig sie zu heben. Wie auch immer ich es tat, ich schaffte es mich zu ihm zu bewegen. Es schien das einzige, das noch wichtig war. Schemenhaft konnte ich die geisterhaften Gestalten meiner Gefährten sehen, die sich aus ihren Körpern erhoben hatten und es mir gleich taten. Wir verbanden uns in dem Kind, ich konnte die Anwesenheit der anderen plötzlich deutlicher spüren als jemals zuvor, ich war wir, sie waren ich, wir konnten den Griff der Kindeshand um das Heft Siebenstreichs spüren. Mit geeinten Kräften hoben wir die Klinge an, holten zum letzten Schlag aus und noch kurz bevor wir zuschlagen konnten, war es Borbarads Augen anzusehen. Er wusste es. Wir hieben mit dem Schwert zu, als wollten wir die Welten spalten, Splitter der berstenden Krone um uns herum, Schreie und letztendlich... Schwärze.
Ich wachte in dem Zelt eines Heilers auf. Jeder Muskel, jedes Gelenk… es gab nichts an meinem Körper das nicht schmerzte. Es war offenkundig, dass ich vortrefflich versorgt wurde. Man sagte mir damals, dass ich wohl fast bereit war auf den Rücken Golgaris zu steigen um mit ihm in Borons Hallen zu fliegen. Es musste wirklich verdammt knapp gewesen sein.

Ich fragte nach meinen Gefährten, doch man wich mir lange aus, was mir Antwort genug war. Die Gewissheit, dass meine Gefährten im Kampf ihr Leben gelassen hatten schmerzte mich. Lange Jahre fochten wir gemeinsam, hatten immer wieder Rückschläge zu bewältigen und wenige Erfolge zu feiern. Nun jedoch schien es als hätte sich all dies zum Ende gelohnt. Borbarad war bezwungen, die Dämonenkrone zersplittert, deren sieben Bruchstücke von treuen Gefolgsleuten Borbarads geborgen und in die verfluchten Lande gebracht. Borbarad hatte seine Erben gefunden, der Krieg war also nicht vorbei, doch diese Schlacht war vorerst geschlagen.

Es dauerte eine Weile bis ich wieder vollends bei Kräften war. Unablässig wollte man mich über die letzten Minuten der Schlacht befragen, doch war mir noch lange nicht danach darüber zu sprechen. Das Leid, das auf dem Schlachtfeld zurückblieb war überwältigend. Unzählige Opfer auf beiden Seiten waren zu beklagen. Viele Familien würden vergeblich auf die Heimkehr ihrer Liebsten warten.
Erst Wochen später, nachdem ich mich von den körperlichen Wunden einigermaßen erholt hatte, raffte ich mein Hab und Gut zusammen um wieder in meine Heimat zu reisen. Viele versuchten es mir auszureden, wollten, dass ich mich dem weiteren Kampf gegen die selbsternannten Heptarchen anschloss, doch für mich war dieser Krieg vorbei. Nicht nur mein Körper war gealtert, auch an meiner Seele blieben große Narben, die ich wohl den Rest meines Lebens spüren würde.

So brach ich auf um in meine Heimat zurückzukehren. Das ferne Thorwal war vom Krieg verschont geblieben und es wartete meine Familie auf mich. Ein Sohn, den ich erst noch kennenlernen musste, eine Frau, die hoffentlich als meine Gefährtin an meine Seite trat und die ich auch erst noch wahrlich kennenlernen musste, denn hatten wir bislang nur eine gemeinsame Nacht miteinander. Hätte ich sie nicht in den Norden geschickt, sie wäre wohl ebenfalls nicht mehr am Leben, denn Wandleth, die Stadt in der ich sie zum ersten Mal traf, wurde durch den Giganten vollständig vernichtet.
Mein Weg führte mich allerdings nicht gleich in den Norden. Zuerst reiste ich nach Punin, denn dort wollte ich mich in jener tiefen Grabkammer von meinen Gefährten verabschieden. Dort, so wusste ich, wurden nach der Schlacht Ihre Körper verwahrt und in Ehren gehalten. Tief unter dem Borontempel, in einer Kälte, die nur Fels von sich geben kann, lagen Sie in Ihren kunstvollen Sarkophagen. 

Langsam schritt ich ihre Gräber ab, ließ meine Finger über die mit Gravuren überzogenen Steinplatten gleiten, die ihre Körper in ewiger Dunkelheit versiegeln sollten. Ich glaubte Ihr Lachen zu hören, ihre Schreie und ihr Gezanke. Wohl waren sie die großartigsten Gefährten, die man sich in einem Leben wünschen konnte und ich wusste, dass ich sie eines Tages wiedersehen würde, wenn wir gemeinsam, Seite an Seite in die wirklich letzte Schlacht zogen. Ich blieb vor dem einzig leeren Sarkophag stehen. Es stand mein Name darauf. Es war ein merkwürdiges Gefühl hier zu stehen und auf das zu blicken was einmal mein Sarg hätte sein sollen. Kurz überkam mich ein Schuldgefühl. Während all meine Gefährten starben, war ich der einzige der überlebte und in seine Heimat zurückkehren konnte. Doch, war es nun nicht meine ehrenvolle Aufgabe ihre Geschichten weiterzutragen? Dafür Sorge zu tragen, dass man sich nicht nur an Ihren Tod in der Schlacht erinnerte, sondern auch an alle Taten, die sie in den Jahren zuvor vollbrachten?

So schließe ich, Ragnar „Feuerauge“ Starkardsson, nun das letzte Kapitel dieser Aufzeichnungen in tiefer Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit mit meinen Gefährten, so schwierig diese Zeiten auch waren. Wir mochten gemeinsam gestritten, gezankt und geschmollt haben… uns verband etwas das weitaus mehr war als eine Schicksalsgemeinschaft. Tatsächlich war es tiefe verwurzelte Freundschaft, die uns gemeinsam bis an das Ende der Welt führte. Nie werde ich die gemeinsamen Abende vergessen an denen wir gelacht, getrunken und gefeiert haben. In meinem Haus werden fortan bei jedem Fest Plätze für sie frei sein, ein Fenster wird immer für sie geöffnet sein und es mag in den langen Wintern keinen Abend geben an dem nicht eine ihrer Geschichten erzählt werden wird.
Ihr fehlt mir und werdet mir immer fehlen, meine treuen Gefährten und Freunde.

Das Wohl, so war es, und so wird es sein.