Montag, 20. Juli 2015

Unglückliche Begegnung

7. Praios 1019 BF

Am nächsten Morgen bekommen wir noch eine Armbinde der ‚Wipfeltiger‘, die uns zumindest bei Rebellengruppen hilfreich sein wird. Man führt uns auf sicheren Pfaden noch an den Rand ihres Gebietes, das durch seltsame Zeichen in den Bäumen markiert ist und rät uns in den Wipfeln zu schlafen. Dankend verabschieden wir uns und machen uns weiter auf dem fast unsichtbaren Pfad.

Plötzlich höre ich einen kurzen Schrei hinter mir und ein Rascheln, dass sich anhört als sei jemand gestürzt. Als ich mich umdrehe ist Kaldrim verschwunden und Ragnar stürzt zu einem Blätterhaufen unter dem der Zwerg wohl verschwand. Verdammt eine Trichterwurzel, schießt es mir in den Kopf und ich stürze mit meinem Haumesser zu den Blättern, stoße die anderen weg und schlage schnell die Blätter beiseite. Diese peitschen mir entgegen, doch kann ich ihnen ausweichen und die zwei Schritt tiefe Grube freilegen. Kaldrim liegt am Fusse der Grube, regungslos mit völlig lethargischem Blick. Wir müssen ihn schnellstens da raus holen. Ich kläre die anderen auf, dass dies eine Fallgrube einer fleischfressenden Pflanze ist und Ragnar macht seinen Stab zum Seil und wickelt es um Kaldrims Rucksack, den er noch immer auf dem Rücken trägt, ehe er ihn hochzieht. Äußerliche Wunden hat er kaum, doch das Gift der Nesselwurzeln hat ihn bereits geistig verwirrt. Die Männer nehmen ihn in die Mitte und zerren den völlig verstörten Zwerg mit sich, als ich uns weiter den Weg bahne. Bei den Zwölfen, das wird ein anstrengender Marsch die nächsten acht Stunden.

Auf einmal hören wir Schnarchgeräusche und als wir langsam näher kommen erkennen wir einen alten Hochstand auf dem ein alter, zerissen aussehender, Mittelreicher sitzt und schläft. Seine vergammelten Stiefel hängen nach unten und als Ardo mit seinem Schwert dagegen stößt um ihn zu wecken, grummelt er langsam vor sich hin, öffnet die Augen und macht Anstalten herunterzukommen. Doch kaum hat er die erste Stufensprosse betreten, bricht diese hindurch und wir müssen mit ansehen wie der Unglückliche unsanft nach unten stürzt und übelst mit dem Kopf aufkommt. Nach einem nicht überhörenden Knackgeräusch, liegt der Mann leblos vor uns. Die Sprossenleiter des Hochstands ist vollends von Insekten zerfressen und morsch. Der Mann hat sich das Genick gebrochen.

Seine Kleidung und seine Waffe sind verschlissen und er trägt keinerlei Habseligkeiten bei sich. Wir können von Weitem Geräusche vernehmen, die sich wie Holz hacken anhören. Wir folgen den Lauten und kommen an eine Lichtung, auf der ein heruntergekommenes, mittelreichisches Fort errichtet ist. Ich schleiche mich durch eine Öffnung der Palisade und sehe ziemlich verwahrloste Soldaten, die völlig neben sich zu stehen scheinen. Ein Mann hängt in einem Käfig in einem Baum, auf einen anderen werfen manche volltrunkene Männer mit Messern, scheinbar in der Absicht ihn nicht zu treffen. Schnapsgeruch dringt mir in die Nase und ich erkenne eine selbst gebaute Destille. Die Soldaten sind langhaarig und verlaust, das Fort ist in einem erbärmlichen Zustand. Das uns hierhergeführte Geräusch kommt von ein paar Männern, die im Hof ein Stück eines Baumriesen bearbeiten.

Ich schleiche zurück und berichte den anderen. Da sehen wir einen älteren Soldaten, der nicht ganz so schlimm aussieht, das Fort mit einem Eimer verlassen und folgen ihm. Als wir ihn ansprechen, stellt sich heraus, dass dieses Fort schon länger existiert und sie wohl schon seit Jahren auf Ablöse oder weitere Befehle warten. Wir geben uns als Inspektion aus und er bringt uns ins Fort.

Der aufgedunsene Hauptmann versucht sein Bestes um gut dazustehen, doch wir sind erschüttert in Anbetracht des hiesigen Zustands. Er weist uns einen Adjutanten zu und Corporal Aschenbrecher berichtet uns, dass er vor acht Wochen hierher versetzt wurde und selbst nichts lieber als verschwinden will. Ardo beauftragt ihn, mit ein paar Männern die Leiche am Hochsitz zu holen und ihn angemessen zu bestatten. Der Mann aus dem Käfig wird ebenfalls heruntergeholt und ist wohl auch schon seit längerem verschieden. Wir überlegen was wir mit dem Fort und seinen Männern darin nun anstellen sollen, denn es scheint jede Hoffnung verloren. Ardo lässt alle antreten und hält eine Ansprache, die darauf aus ist, ein wenig Verbesserung zu bringen. Alle müssen sich waschen, rasieren und ihre Kleidung reinigen und doch fragen sie sich nach dem Sinn des Ganzen. Ardo versucht den Hauptmann zur Aufgabe des Lagers zu überreden, doch der bleibt seinem Eid treu, die Stellung zu halten bis neue Befehle oder die Ablöse eintrifft, ohne Rücksicht auf Verluste.
Wir verbringen die Nacht am Lagerfeuer, während Ardo Wache hält und in Gedanken versinkt.