Montag, 20. Juli 2015

Kältestarre

13. Hesinde 1019 BF

Als ich erwache, ist es noch dunkel. Ich möchte mich umdrehen, doch meine Glieder verwehren mir den Dienst. Ich kann mich nicht rühren, da furchtbare Schmerzen mir in die steif gefrorenen Glieder fahren. Was bei den Niederhöllen, ist das denn nun ? Meine Lider sind schwer wie Blei und am liebsten würde ich einfach hier liegen bleiben. Doch wir müssen früh los. Wie spät es wohl sein mag? Man hört schon Geräusche aus der Stube unten. Es ist so kalt. Ich versuche weiter mich zu bewegen und unter Schmerzen gelingt es mir langsam aufzustehen. Ich höre die anderen schon reden, während ich wie in Zeitlupe nach unten wanke. Jeder Schritt ist schwer, doch je näher ich der warmen Stube komme, desto besser wird es. Ich setze mich direkt ans Herdfeuer und lasse mir von Ragnar eine Tasse Kaffee reichen. Schlagartig wird es besser und ich bin wieder wach. Doch wie wir bei der Kälte reisen sollen, ist mir schleierhaft.

Während meine Gefährten sich um die Abreise kümmern, wärme ich mich weiter auf und der Wirt gibt mir den Rat, es wie seine Großmutter zu handhaben, sie hat sich immer einen heißen Stein unter die Kleider um sich warm zu halten. Dankbar nehme ich den Vorschlag an und greife beherzt zu einem der Steine am Rand des Herds, den ich mit einem Schmerzensschrei gleich wieder fallen lasse. Er ist heißer als ich vermutete. Ich wickle ihn in ein Tuch und packe ihn unter meinen Waffenrock. Sehr angenehm und die Reise kann losgehen.

Schneebedeckt liegt die gefrorene Landschaft vor uns und wir reiten die Reichsstraße lang. Eisiger Wind weht über die Warunker Platte, das Flachland Tobriens, und in der Ferne sieht man die Bergrücken der Sicheln. Gegen Mittag erreichen wir Grützdorf und kehren in ein Gasthaus ein. Der warme Eintopf belebt mich wieder ein wenig und derweil wärmt sich mein Stein wieder am Herd neu auf. Wir reiten weiter und erreichen nach Einbruch der Dunkelheit Binsborn. Die Herberge des Dorfes ist gut gefüllt und es wird gewürfelt. Kaldrim steigt natürlich sofort ein und sein Würfelglück ist ihm hold.
Ragnars Augen glänzen streitlustig und er ruft einfach mal ein "der betrügt bestimmt" in den Raum und grinst mich an. Kopfschüttelnd schaue ich mich um. Ein Haufen betrunkener Bauern und Jungvolk, nichts was sich lohnen würde. Doch tatsächlich stellen sich einige Männer hinter Kaldrim und es werden noch mehr Stimmen laut, dass er betrügt. Ragnar steht auf und gesellt sich unauffällig in die Nähe Kaldrims, während ich mich auf der anderen Seite postiere.

Plötzlich geht alles sehr schnell. Der angeblich Getäuschte springt auf Kaldrim und beide gehen zu Boden. Ragnar reagiert prompt und teilt auf seiner Seite ebenfalls aus. Ich stelle mich zwischen die Gestürzten und ein paar Männer, die sich ebenfalls gerne auf Kaldrim werfen wollen und lasse ein wenig hämische anzügliche Sprüche über mich ergehen. Doch ehe sie mich angreifen können, hole ich kräftig aus und verpasse ihnen dermaßen eine Schelle, dass die Ohrfeige fast wie eine Kettenreaktion von einem zum anderen übergeht. Völlig perplex ziehen sich die Männer zurück und Kaldrim verlangt eine Entschuldigung. Er droht sogar mit uns. Der weitere Abend vergeht ereignislos und unsere Getränke gehen auf den Angreifer, hat sich ja gelohnt.

Ich verbringe die Nacht unten am warmen Herdfeuer. Ich werde nicht noch einmal fast erfrieren. Wohl ein weiteres Detail meines Wandels. Ich werde die Kälte zukünftig meiden müssen. Aber leichter gesagt als getan.