Sonntag, 19. Juli 2015

Ein Gönner



Ein paar Tage darauf mache ich mich am späten Nachmittag auf den Weg durch die Stadt und schlendere einfach nur durch die Strassen und Gassen. Diesmal in meiner, wieder sauberen, Tulamidenkleidung. Selbstverständlich werde ich immer wieder seltsam beäugt, doch respektvoll behandelt, ob es wegen meines Auftretens und des Khunchomers an der Seite ist, oder einfach nur als Frau, ist mir schleierhaft. Wenigstens wird man hier anständig behandelt, nicht so wie bei den Novadis.

Ich habe mich auf den Weg in die Unterstadt gemacht, der einfachere Stadtteil, der sich deutlich von der Oberstadt abhebt. Hier finde ich in der Nähe des Hafens einfache Kaschemmen und genehmige mir seit langem mal wieder ein paar Klargebrannte. Doch ich muss Kaldrim Recht geben, der liebliche Wein hat meinen Gaumen verwöhnt und der Schnaps schmeckt mir nicht mehr so wie früher. Ich komme mit ein paar Seesöldnern der Schwarzen Säbel ins Gespräch und wir würfeln ein wenig, wobei mir das Glück hold ist und ich sogar ein wenig Geld raus schlagen kann. Sichtlich zufrieden, doch bestimmt nach Tabak und Alkohol stinkend, mache ich mich spät abends auf den Heimweg. Plötzlich höre ich aus einer Seitengasse ein Jammern, dann sehe ich ein Mädchen aus der Gasse rennen, doch das wimmern und betteln hört nicht auf. Ich geh der Sache auf den Grund und sehe zwei Seesöldner, die anzüglich auf ein Mädchen einreden, die jammernd und weinend vor den beiden steht und sie anbettelt sie doch in Frieden zu lassen, ihr Vater sei reich und sie sollte gar nicht hier sein. Noch haben die beiden sie nicht angerührt. Ich ziehe meinen Säbel und rufe den beiden zu sie sollen sich an jemand größerem vergreifen, dem sie auch sogleich nachkommen und in der engen Gasse beginnt ein ungleicher Kampf, während das Mädchen nur weinend schreit, jedoch nicht an uns vorbei kann. Plötzlich höre ich im Eilschritt Stiefelschritte und eine befehlsgewohnte Stimme schreit uns auseinander. Ich lasse meine Waffe sinken und sie wird mir sofort abgenommen. Die Stadtwache ist mit dem anderen Mädchen gekommen. Eigentlich will die Stadtwache mich in Ketten legen, doch mit nur einer Hand stellt sich das als schwierig heraus. Doch da ich keinen Widerstand leiste, nehmen sie mich so mit. Ebenso wie die beiden Söldner. Es entbrennt eine riesige Diskussion über den Vorfall, jeder beschuldigt jeden. Die Mädchen wollen erneut weglaufen, werden jedoch ebenfalls aufgehalten und die Stadtwache nimmt uns alle mit zur Garnison. Bis alles geklärt ist, werde ich in eine Zelle gesperrt, doch kann ich wenigstens noch den Namen ‚Perborat, Sohn des Coldaman vom Aurum Phantasma‘ loswerden, doch ob sie das irgendwie zur Kenntnis genommen haben, wage ich zu bezweifeln. So sitze ich nach vielen Jahren wieder einmal hinter Gittern, doch ist mir auch klar, dass ich hier sicherlich nicht versklavt werde. Ich hoffe auf das Mädchen, schließlich sollte ihr bewusst sein, dass ich sie vor Schlimmerem bewahrt habe. Ich setze mich mit dem Rücken an die Wand und harre dem was kommen mag.

Am nächsten Morgen höre ich Schritte und kurz darauf erscheint ein wachhabender Offizier, der meine Zellentür öffnet und mich bittet, ihm zu folgen. Das grelle Sonnenlicht blendet mich kurz, als ich in ein Zimmer geführt werde. Das Mädchen ist da und sie sieht sehr schuldbewusst drein, doch ihre Augen zeigen eine hoffnungsvolle Vertrautheit, als sie mich anschaut. Ein gut gekleideter hochgewachsener, überraschend gut aussehender Mann ist ebenfalls anwesend und stellt sich als ‚Leonardo di Manya‘ vor und verbeugt sich vor mir. Er ist der Vater des ungezogenen Mädchens, das sich vor lauter Abenteuerlust mit ihrer Freundin des Nachts in der Unterstadt rumtrieb. Er bittet mich um Verzeihung für die Unannehmlichkeiten und bedankt sich über die Maßen für meine Hilfsbereitschaft, denn wer weiß was noch alles hätte geschehen können, wäre ich nicht gewesen. Ich nicke ihm freundlich zu, zwinker die Kleine dankbar an und sie lächelt verschwörerisch zurück. Er lädt mich auf ein Abendessen bei sich zu Hause ein und fragt nach meiner Wohnstätte. Als ich ihm den Namen Perborat sage, leuchten seine strahlend grünen Augen erneut. Man wird mich abholen kommen, verspricht er mir, ehe er sich mit seiner Tochter auf den Heimweg macht, die sich nochmal lächelnd nach mir umschaut. Meinen Khunchomer bekomme ich selbstverständlich ebenfalls zurück und man lässt mich ziehen.

Als ich am späten Vormittag bei Perborat ankomme, muss ich erstmal alles erzählen und der Name ‚di Manya‘ scheint dem Zwerg ein Begriff zu sein. Perborat zwingt Kaldrim erneut mich zum Schneider zu bringen und eine passende Abendgarderobe für mich auszusuchen, diesmal auf seine Kosten, für die vielen Umstände, die diese Stadt mir bereitet. Schließlich soll die Wüstenrose sich ja heute Abend wohl fühlen. Diesmal gehe ich artig mit und suche mir tatsächlich ein relativ schlichtes weinrotes Kleid aus mit den passenden Schuhen. Danach mache mich schön zurecht für den Abend und tatsächlich klopft es irgendwann und ich werde zu einem prachtvollen Anwesen geleitet, das mir fast die Sprache verschlägt.

Ich verbringe mit Leonardo einen wunderschönen Abend. Doch auch ernstere Themen werden angeschnitten. Der Verlust meines Arms, wobei ich ihm nur erzähle, dass ich ihn im Kampf verlor, nicht wie. Der Verlust seiner Frau, die Mutter seiner Tochter, die vor drei Jahren an einem heftigen Fieber starb. Seitdem ist seine Tochter kaum haltbar. Sie stellt ständig was an, sie hat eine unbändige Abenteuerlust und Neugier. Sie schlägt eben sehr nach ihrer wilden Mutter. Sie war Aranierin und lächelnd verstehe ich was er an mir findet. Seine halblangen schwarzen glänzenden Haare, die grünen leuchtenden Augen und die Lachfalten um seine Mundwinkel und Augen herum, fesseln mich während er erzählt und ehe ich mich versehe, ist es schon tiefe Nacht. Wir haben uns ewig verplauscht bei einem guten tropfen Wein, vielen Komplimenten und leichten charmanten Annäherungsversuchen. Ich halte mich zurück, doch strahlt dieser Mann eine faszinierende Anziehungskraft auf mich aus. Als ich mich verabschieden will, zieht er mich plötzlich an sich heran und küsst mich innig. Ich verbringe die Nacht bei ihm und schon lange habe ich mich nicht mehr so glücklich gefühlt. Doch ich mache ihm auch klar, dass das nur eine einmalige Sache war. Zu sehr heftet mein Schicksal an mir, von dem ich ihm nichts erzählen kann. Ich kann ihm nur versichern, dass ich im Winter schon nicht mehr hier sein werde. Es tut ihm zwar leid, doch er zeigt Verständnis und lädt mich auf seinen Ball ein, den er am 19. Hesinde wie jedes Jahr in seinem Haus gibt, einen Tag vor Beginn der Opernsaison in Vinsalt. Selbstverständlich kann ich Begleitung mitbringen, vor allem wenn sie aus dem Hause des Goldschmieds kommt. Bis dahin könne ich ihn jederzeit wiedersehen, wenn ich es denn will, lächelt er verschwörerisch und schickt noch einen Begleiter mit, der mich sicher nach Hause bringt.

Aufgeregt erzähle ich Kaldrim und Perborat von der Einladung und bitte Kaldrim darum mich zu begleiten. Er nimmt an, doch will er mir bis dahin das Tanzen beibringen und da ich weder mich noch ihn blamieren will, nehme ich dankend an.

Die nächsten drei Wochen vergehen wie im Fluge. Kaldrim gibt sich alle Mühe mir den Liebfelder Tanz beizubringen und ich mache schnell Fortschritte. So schwer ist es eigentlich garnicht und es macht mir tatsächlich Spaß. Wir lachen viel, sind ausgelassen und fröhlich und genießen die gemeinsame Zeit in Kuslik.

Mit Leonardo treffe ich mich auch noch des Öfteren und als der Ball immer näher rückt, gestehe ich ihm, dass ich noch immer nicht weiß was ich anziehen soll. Leonardo nimmt meine Hand und führt mich schweigend in ein Zimmer, das aussieht als würde noch immer eine Frau darin wohnen. Ein wunderschöner Raum, mit heller Holztäfelung, und vielen Fenstern in das die Abendsonne fällt. Ich schaue ihn an und seine Augen sind mit Tränen gefüllt. "Das war das Zimmer meiner lieben Shanya und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke. Du hast mir ein wenig Zeit zurückgegeben, du bist ihr so wahnsinnig ähnlich. Die gleichen dunklen Haare, die gleiche Statur, das gleiche Feuer lodert in dir, als hätte sie dich mir geschickt um ein letztes Mal Lebewohl zu sagen. Ich habe seit drei Jahren keine Frau mehr gehabt, obwohl sie mir damals auf dem Sterbebett gesagt hat, ich solle nicht verzagen und wieder eine neue Frau suchen. Ich glaube, du wurdest mir geschickt um mir die Augen zu öffnen, dass es noch mehr gibt im Leben als zu trauern. Seit langem war ich nicht so glücklich und es schmerzt mich, dich gehen zu lassen. Aber ich werde dich selbstverständlich ziehen lassen. Ich bitte dich nur um einen Gefallen zum Abschied." Er öffnet einen riesigen Kleiderschrank "Sieh dir die wunderschönen Kleider an. Ihr haben sie nie viel bedeutet, ich denke dir ebensowenig. Doch suche dir eines aus für den Ball, danach kannst du es gerne zurückgeben und wir werden uns nie wiedersehen. Aber sei einen Abend lang meine kleine Aranierin und ich werde mich bei einem letzten Tanz für immer von dir verabschieden"

Ich streiche ihm eine Träne von seiner Wange und drücke ihn fest an mich "Es tut mir so leid" sage ich bedrückt und ich nehme sein Angebot gerne an. Ich suche mir ein wunderschönes weit ausladendes Kleid aus, ein Paar lange Handschuhe, ein feines Samthalsband und passende Schuhe mit hohem Absatz. Selbst die passen mir wie angegossen und ich nehme die Sachen vorerst mit zu Perborat.

Eine Woche vor dem Ball, hole ich mir noch meinen Holzarm ab und er passt einwandfrei. Mit dünnen Lederriemen lässt er sich an Oberarm und Schulter befestigen für besseren Halt und die Hand ist leicht gebeugt mit Fingern, die denen meiner anderen Hand gleichen. Dankbar bezahle ich den Mann und kehre zufrieden zurück zu Kaldrim.

In der Woche vor dem Ball und dem bevorstehenden Abschied aus Kuslik, bringe ich nochmals meine Sachen auf Vordermann, fette das Lederzeug von Soraya, besorge alles für die weite Reise nach Südosten, schärfe meinen Khunchomer erneut und erledige sonstige Vorbereitungen.

Am Abend des Balls gehe ich mittags nochmal ins Badehaus, lasse mir die Haare frisch frisieren und ziehe gegen Abend die Sachen an. Ich komme mir vor wie eine Adlige und recht wohl fühle ich mich nicht in den Dingen. Doch so rausgeputzt gehe ich langsam die Treppe herunter zu Perborat und Kaldrim, gespannt darauf wie sie reagieren werden. Und wahrlich ist Kaldrim beeindruckt. Wir flunkern noch ein wenig hin und her, ehe auch Kaldrim sich fertig macht und wir beide rausgeputzt losziehen zum Ball, sichtlich gutgelaunt und ständig miteinander scherzend.