Freitag, 17. Juli 2015

Der Schock

28. Ingerimm 1015 BF

Wir sitzen gerade beim Frühstück, als wir von draußen lauten Aufruhr der Dorfleute hören. Wir gehen ebenfalls nachsehen und als wir uns den Weg durch die Menschentraube bahnen, erschreckt uns ein schauderhaftes Bild. Eine alte Bettlerin sitzt blutüberströmt am Dorfbrunnen und hält ein Stück Fleisch in der Hand. Mich überkommt Panik und Ekel bei dem Anblick und ich eile ein paar Schritte neben den Brunnen. Ich muss mich am Brunnenrand abstützen und übergebe mich dann lautstark. Ragnar hält mir mitfühlend dabei meine Haare aus dem Gesicht. Ich starre die alte Frau mit vor Schreck geweitenden Augen an. Sie hat sich selbst das Herz rausgerissen…

Vater Kumrad, der hiesige Travia-Geweihte, verscheucht die Leute und kümmert sich um eine Beerdigung, während ich mir in der Schänke meinen Schock mit Bärentod ertränke. Als alles erledigt ist und die Leute sich wieder verstreut haben, machen wir uns schnell weiter auf den Weg Richtung Nordosten. An einer Kreuzung folgen wir einer schmaleren neueren Straße die Richtung Nordosten zu den Sichelgebirgen führt. Zur Mittagszeit kommen wir an ein kleines Dorf und während Linai den Travia-Geweihten aufsucht, begeben wir uns in ein Gasthaus zum Mittagessen. Wieder gibt es diese seltsamen großen Kartoffeln und wir erfahren vom Wirt, dass diese von Lares Ehrwald, dem Fuhrmann aus Dragenfeld kommen. Als Linai zurückkommt, erfahren wir ebenfalls, dass Sulman al Venish hier durchgeprescht sei mit 4 Pferden. Eines trug einen auffällig kleinen Mann, ein anderes einen Kämpfer mit Schwert, auf dem dritten sei jemand nur drüber gelegen und auf dem vierten sei der schaurige Schwarzmagier geritten. Als wir bezahlen wollen und der Wirt uns offensichtlich übers Ohr hauen will, begleicht Kaldrim artig die Rechnung mit dem Geld der Söldner, begibt sich aber, bevor wir gehen, nochmals zum Wirt und bedroht ihn flink mit seinem Dolch. Als Kaldrim ihn nochmals nach Sulman befragt, will dieser ihn nicht gesehen haben, doch da springt eine unscheinbare Bauersfrau in der Stube auf und beschimpft den Wirt ebenfalls. Jeder hätte die Reiter gesehen und sie hätten ihren Sohn mitgenommen. Sie erzählt uns vom „schwarzen Schrecken“, der schuld daran sei, dass das Korn verfault, Menschen geraubt werden und er verkörpere das Böse in Person. Vor einer Woche sei nun ihr 19jähriger Sohn Mikael verschwunden und sie ist fester Überzeugung, dass Sulman ihn mitgenommen hat. Wir versprechen ihr unsere Augen offen zu halten und gehen. Kaldrim steckt lächelnd und sichtlich zufrieden sein zurückgefordertes Wechselgeld ein.

Gegen Abend erreichen wir Runhag, eine kleine Ansiedlung, die direkt die Straße umschließt. Sie wurde auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel erbaut und besitzt sogar eine Palisade. Als wir näher kommen sehen wir zwei Wachen vor dem geschlossenen Tor. Sie scheinen nicht wirklich ausgebildete Kämpfer zu sein, doch tragen sie mit Stolz ihre erbärmlichen Waffen. Es sind wohl einfache Bauernkämpfer, die uns mutig den Weg versperren und einen Wegzoll von 5 Hellern pro Bein für des Herzogs neue Straße verlangen. Während meine Freunde noch diskutieren, bezahle ich lächelnd und bekomme das Tor geöffnet. Sie mögen einfache Leute sein, aber sie tragen ihr kleines Kämpferherz auf dem rechten Fleck. Es gehört Mut dazu sich jedem dahergelaufenen Strolch mit einer Mistgabel entgegenzustellen. Und die neue Straße muss ja schließlich auch bezahlt werden. Als endlich alle ihren Zoll beglichen haben, gelangen wir an ein Gasthaus. Einfach, aber gemütlich und sauber. Die meisten von uns speisen Eintopf, während Ardo sich lieber ein Huhn braten lässt. Er hat die Nase voll von Eintöpfen. Wir entscheiden uns für den Schlafsaal, falls wieder einer von uns träumt und wir uns somit gegenseitig beschützen können. Und leider nicht ohne Grund. Mitten in der Nacht wacht Kaldrim brüllend auf. Er stöhnt vor Schmerzen, ist schweißgebadet, doch zittert er vor Kälte. Ich lege ihm ein nasses Tuch auf die Stirn und wickle ihn in all unsere Decken, während Ragnar nach unten eilt um Wein zu besorgen. Kaldrim hatte einen seltsamen Traum, in dem er einfach nur fiel, mit anderen undeutlichen Schemen zusammen, doch mächtig war er, als würde er direkt aus Alveran fallen. Der Aufprall war so langsam und schmerzhaft, dass es ihm fast die Sinne raubte und auch nach dem Traum tut ihm noch alles weh. Nach all der Aufregung begeben Ardo und ich uns in den Hof zum Schwertkampf für Rondra. Danach bin ich so erschöpft, aber beruhigt, dass ich wieder weiterschlafen kann.